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Martin, Rudolf
Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung: mit besonderer Berücksichtigung der anthropologischen Methoden ; für Studierende, Ärzte und Forschungsreisende ; mit 460 Abbildungen im Text, 3 Tafeln und 2 Beobachtungsblättern — Jena, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.37612#0495
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E. Weichteile des Gesichtes.

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lieh nämlich liegt der äußere Gehörgang in der Mitte einer den
Scheitel und den Unterkieferwinkel verbindenden Geraden. Die Be-
urteilung des Ohrsitzes erfolgt daher stets in Beziehung zur Aus-
bildung des Gehirn- und Gesichtsschädels. In der Tat scheint auch
bei den ägyptischen Bildnissen das Ohr nur deshalb so hochsitzend,
weil die Gesichtsproportionen unnatürlich vergrößert sind (HoLL).
Auch die beim Kinde gegenüber dem Erwachsenen auffallende Tief-
lage des Ohres beruht nur auf einer Täuschung, die durch die geringe
Höhenentwicklung des kindlichen Gesichtes hervorgerufen wird.
Daß gewisse Ohrformen als Degenerationszeichen bei Geistes-
kranken und Verbrechern, d. h. im Sinne von Atavismen, aufgefaßt
werden, sei hier nur kurz erwähnt. Die Angaben widersprechen sich
noch vielfach. Allerdings scheinen einzelne Formen, wie die größere
Ausdehnung der freien Ohrfalte, das Vorkommen besonders großer
oder kleiner Maße bei Geisteskranken prozentual etwas häufiger zu
sein als bei normalen Individuen gleicher Provenienz. Aber auch
diese Formen liegen innerhalb der normalen Variationsbreite und sind
wohl zumeist Hemmungsbildungen, die auf embryonale Stadien hin-
weisen.
Die 0 h r f o r m e n der erwachsenen A n t h r o p o m o r p h e n stehen
denjenigen des Menschen sehr nahe und lassen sich wie diese von einer
Cercopithecusform ableiten. Auffallend sind die erheblichen individu-
ellen Differenzen (und bilateralen Asymmetrien), die bei Schimpanse
sogar als Rassendifferenz aufgefaßt wurden (Fig. 113, S. 371). ln allen 3
Gruppen der Anthropomorphen machen sich ganz ähnliche Reduktions-
prozesse wie beim Menschen geltend. Am meisten an die Cerco-
pithecusform erinnert das Schimpansenohr, während das Ohr des
Gorilla schon eine starke Einrollung des Helixrandes zeigt und durch
die Ausbildung einer Satyrspitze besonders charakteristisch ist. Die
stärkste Reduktion weist das Ohr des Orang-Utan auf, und zwar im
Hinblick auf die Involution des Helix, das Verstreichen der Ohrspitze,
die hohe Entwicklung des Anthelixsystems und den Schwund der
Muskulatur. Darum wird ein wohlgeformtes menschliches Ohr von
KEiTH auch als „Orangtypus", eine flachliegende Ohrfalte als „Schim-
pansetypus" bezeichnet. Er fand in England:
den „Orangtypus" in 18 Proz. im d u. in 45 Proz. im $ Geschlecht
„ „Schimpansetypus" „ 5 „ „ d „ „ 23 „ „ $ „
dagegen bei den Hottentotten den ersteren in 90 Proz.
Auffallend sind auch die Unterschiede in der Flächenausdehnung'
der Ohrmuschel bei den Anthropomorphen, die natürlich durch die
verschiedengradige Reduktion bedingt ist. Am größten ist das Ohr
des Schimpanse, am kleinsten dasjenige des Orang-Utan. Einige in-
dividuelle Werte mögen dies zeigen:

Gorilla d (DuCKWORTH)
Physiogno-
rnische
Ohrlänge
Physiogno-
mische
Ohrbreite
Physiognomisc.her
Ohrindex
rechts links
— 70,6
„ Mittel aus 2 (ToPiXARD)


69,1
„ (KOCH)
42
31.
50,0
Schimpanse a. (DuCKWORTH)


72,7 83,0 (?)
„ b-


77,2 78,3
„ Mittel aus 3 (TopiXARD)
71,1
„ (KOCH)
63
45
71,4
85,1
Orang-Utan (TOPIXARD)


„ (KOCH)
35
25
71,4
 
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