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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 10.1967

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Nr. 3
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Roland, Günther: Griechisch-Unterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.33074#0043

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Im Dienste des oben angedeuteten Ziels — das in Deutschland so gut wie in der Schweiz
als gültig anerkannt ist - stehen in der Schweiz zwei Maßnahmen, die in andern Ländern
kaum anzutreffen sind:

Die eine besteht darin, daß der Griechischunterricht meistens bis zum Schluß von dem-
selben Lehrer erteilt wird. Dieser kennt alle Voraussetzungen, mit denen seine Klasse
arbeitet, und kann, ohne daß der Schüler etwas davon zu ahnen braucht, von einem ge-
heimen Blickpunkt aus die verschiedenen Phasen seines Unterrichtes koordinieren. Er ist
damit in der Lage, von der ersten Stunde an seine Bemühungen auf das gegebene Ziel
hin auszurichten, wobei er je nach seinen Neigungen und Fähigkeiten diese oder jene
Zusammenhänge mehr in den Vordergrund riickt und damit ein geschlossenes - wenn
vielleicht auch einseitiges — Bild des hellenischen Erbes zu vermitteln vermag. Daß aller-
dings der schlechte Lehrer in dieser Alleinrolle auch mehr Unheil anrichten kann, als er
es bei jährlichem Wechsel vermöchte, soll nicht verschwiegen werden!

Das zweite Spezifikum liegt in der Durchführung der Reifeprüfungen. Im schrift-
lichen Teil besteht die Aufgabe darin, einen vom Lehrer selbst ausgewählten Text in
vier Stunden aus dem Griechischen ins Deutsche zu übersetzen, wobei ebenso auf genaue
Wiedergabe des Originals wie auch auf gutes Deutsch Wert gelegt wird. Mit der Über-
setzung kann die Auflage verbunden werden, die vorgelegte Textpartie zu kommentieren
(Erklärung von Einzelstellen, übersichtliche Darstellung des Gedankengangs, Hinweis
auf Beziehungen zu früher Gelesenem). Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, daß der
Text der Reifeprüfung auf die vorausgehende Lektüre abgestimmt werden kann. Im
Mündlichen bekommt der Kandidat wieder nach persönlicher Wahl des Lehrers einen
Abschnitt von etwa zwölf Versen oder acht bis zehn Prosazeilen vorgelegt und hat nach
einiger Vorbereitungszeit darüber zu referieren. Es geht dabei nicht mehr um die An-
wendung genauer Übersetzungstechnik - diese wurde bereits schriftlich geprüft - als
vielmehr um das rasche Erfassen des wesentlichen Inhaltes. Hier kann der Abiturient
zeigen, ob er über eine lebendige Beziehung zum Griechentum verfügt, ob er den Text
in ein größeres Ganzes einzuordnen vermag und allenfalls in der Lage ist, auf Grund
seines erworbenen Wissens selbständig zur aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen
Das Ziel der mündlichen Prüfung ist also in besonderem Maße ein „humanistisches“.
Um Willkür zu vermeiden, wird die schriftliche und die mündliche Prüfung von einem
erfahrenen Mitglied der Aufsichtskommission oder auch von einem beigezogenen Fach-
mann überwacht. An der mündlichen Prüfung nehmen zudem meistens weitere Lehrer
der Schule als Zuhörer teil.

Der tägliche Unterricht, welcher der Reifeprüfung vorausgeht, unterscheidet sich in
vielen Beziehungen kaum von demjenigen in Deutschland, mag auch - entsprechend dem
Temperament des Schweizers - das Tempo im allgemeinen gemächlicher sein. Hingewie-
sen sei auf einige wichtige Tatsachen:

Das Griechische setzt einen zweijährigen intensiven Lateinunterricht voraus, der die
gesamte Formenlehre und die wichtigsten Erscheinungen der Syntax erarbeitet haben
soll, so daß von Anfang an mit einem festen Besitz an grammatikalischen Vorstellungen
und Begriffen gerechnet werden kann.

Der Entschluß, ob Griechisch zu lernen sei, ist vom Schüler und dessen Eltern erst
gegen Ende des zweiten Lateinjahres zu fällen, weil der Unterbau für die Typen A und
B 2 gemeinsam ist. Das bedeutet implizite, daß sich schlechte Lateinschüler nur in Aus-
nahmefällen (etwa in der Absicht, später Theologie zu studieren) für das Griechische

2 Die Gabelung beginnt in der dritten Klasse. Typus A: Griechisch, Typus B: Englisch
als dritte Fremdsprache. Am Typus A wird von der fünften Klasse an ein fakultativer
Englischkurs erteilt. Der Typus B wird von mehr als doppelt so vielen Schülern besucht.

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