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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 11.1968

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Ludwig, Walther: Die lateinischen Schulautoren
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https://doi.org/10.11588/diglit.33078#0003

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Die lateinischen Schulautoren

Der folgende Aufsatz gibt einen Vortrag wieder, den ich auf Einladung des Landes-
verbandes Berlin im Deutschen Altphilologenverband am 30. Oktober 1967 in Berlin

lialten durfte.

Ein klassischer Philologe scheint sozusagen berufsmäßig zum Apologeten des
altsprachlichen Unterrichts an unseren Schulen bestimmt zu sein. Aber unser
Interesse an der griechischen und lateinischen Literatur, unsere Freude an der
Beschäftigung mit ihr und der natürlicherweise daraus entstehende Wunsch, daß
möglichst viele der nach uns Kommenden auch mit ihr vertraut sein mögen,
sollte uns nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, daß der Schulunter-
richt in Latein (und nur um diesen wird es in den folgendenÜberlegungen gehen)
trotz bester Bemühungen vieler Lehrer heute weithin für alle Beteiligten unbe-
friedigende Ergebnisse zeitigt, Ergebnisse, die von den humanistischen Program-
men und Bildungszielen oft meilenweit entfernt sind. Die Gebrechen sind uns
allen, wenn wir ehrlich sind, zu bekannt, als daß sie hier illustriert werden müß-
ten. Eine kritische Überprüfung der Zweck- und Zielsetzungen des Lateinunter-
nchts an unseren höheren Schulen ist deshalb längst überfällig, eine gründliche
Reform der Praxis immer dringlicher. Ich möchte im folgenden einen Diskus-
sionsbeitrag dazu liefern. Es scheint mir notwendig, dabei teilweise auch gegen
lieb gewordene Vorstellungen kritisch anzugehen und die Situation, wie sie an
den Schulen tatsächlich herrscht, jederzeit realistisch im Auge zu behalten. Die
hier in mögiichster Kürze vorgetragenen Vorschläge setzen als gegebenen Rah-
men, innerhalb dessen zur Zeit Reformen nur durchgeführt werden können, den
grundsätzlichen Aufbau unseres höheren Schulwesens mit seinen verschiedenen
Zweigen, die 13jährige Schulzeit mit der abschließenden Abiturprüfung und die
augenblicklich geltenden Stundentafeln für 9-, 7- und 5jähriges Latein voraus.
Im übrigen aber werden keine Änderungen gescheut, von denen eine sinnvollere
Form des Lateinunterrichts für unsere Zeit zu erhoffen ist. Viele der folgenden
Gedanken sind nicht neu; ob sie richtig sind, bitte ich sine ira et studio zu prüfen
und dann gegebenenfalls mitzuhelfen, sie zu verwirklichen.

Ausgehen miissen wir von der viel erörterten Frage, zu welchem Zweck Schü-
ler heute noch Latein lernen und welche Schüler es heute lernen sollten. Das
Standardargument, das überall zuerst auftaucht, wo es um die Begründung des
lateinischen Unterrichts geht, ist die formale Schulung, die Schulung im Ge-
brauch der deutschen Sprache und im logischen Denken, die durch das Latein-
übersetzen erzielt werde. Ich bestreite nun keineswegs, daß ein guter lateinischer
Sprachunterricht auch zur Förderung des deutschen Sprachbewußtseins dienlich
sein kann, halte es aber für eine Illusion zu glauben, dies sei der einzige oder
auch nur der beste Weg zu diesem Ziel. Die Theorie, man lerne die bewußte
Beherrschung der eigenen nur durch den Kontrast mit einer möglichst anders-
artigen Sprache, war immer schon durch die rhetorische Bildung der Griechen
widerlegt (was freilich nicht zu stören brauchte, solange man die Griechen für
Ubermenschen hielt), sie ist heute vollends durch die zahllosen Personen unserer
Zeit diskreditiert, die keine humanistische Bildung genossen haben und denen

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