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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 11.1968

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Nr. 2
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Hentig, Hartmut von: Videant magistri (Überblick)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33078#0025

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Hartmut von Hentig

Videant magistri (Überblick)

1. Als magistri seien alle angesprochen, die sich hier versammelt haben. Be-
vor wir den consules vorgearbeitet haben, sind Appelle nicht nur sinnlos, sondern
für die Sache gefährlich.

2. Anlässe zu einer gemeinsamen und entschlossenen Anstrengung zur „Ret-
tung“ des Lateinunterrichts sind nicht nur und nicht in erster Linie bei Stunden-
kürzungen, den Gesamtschulplänen, den internationalen Abkommen, dem Her-
abschrauben der Anforderungen zu suchen, sondern bei einer Reihe von didak-
tischen und schulpolitischen Blößen, die wir uns gegeben haben durch Nach-
lässigkeiten und Beharrung.

3. Eine Rettung des Lateinunterrichts und damit des Latein als Bestandteil
einer bestimmten Kulturerfahrung ist nur möglich, wenn wir seine Funktion
entschlossen von den Eigenarten und Problemen unserer gegenwärtigen Gesell-
schaft her begründen. Wir beginnen also mit einer Aufstellung von Lernzielen.

4. Den Lernzielen sind die didaktischen Möglichkeiten des Gegenstandes
gegenüberzustellen. Wir haben es dabei nicht einfach mit den „Eigenschaften“
des Latein zu tun, sondern mit den Darstellungsweisen - den linguistischen Mo-
dellen. Ich führe als Beispiele auf: a) Sprachrealismus; b) Sprachrelativismus;
c) Organon-Modell von Sokrates und Humboldt; d) Bühlers „Zweiklassen-
modell“; e) Strukturalismus; f) Behaviorismus (Bloomfield/Osgood); g) Trans-
formationsgrammatik (Chomsky). Je nach Ziel ist ein anderes Ausgangsmodell
zu benutzen. So eignet sich für das Ziel „Wissenschaftspropädeutik bei frühem
Beginn“ die Vorlage von Bühler; für spezielle Aufgaben, wie z. B. eines zweiten
Code bei kulturell benachteiligten Kindern sind speziellere Modelle, etwa das
von Osgood brauchbar.

5. Die Frage der Einsatzmöglichkeiten sollte, - solange genügend verschie-
dene gegeben sind, — hinter der Frage zurücktreten, wie man die Lernziele und
die linguistischen Modelle richtig koordiniert. Auch spielen die noch unentschie-
denen schulpolitischen Entwicklungen mit -, z. B. ob und in welchem Umfang
wir eine Gesamtschule haben werden. Der durch die Gesamtschule erzwungene
Statusausgleich und die sich dabei ergebende heilsame Nötigung zu didaktischer
Neuorientierung in allen Disziplinen wird dem Lateinunterricht nicht nur gut
tun, sie könnte sogar helfen, ihn in seine Anfangsposition zurückzubringen. Die
Aussicht auf die Beibehaltung des grundständigen Latein scheint mir dagegen
gering, - es sei denn, es überlebe in der fragwürdigen Isolierung der „Studien-
schule“.

Die Bedürfnisse der Universität sollten in Zukunft in entsprechenden Kursen
am Kolleg (11. bis 14. Jahr) befriedigt werden.

Es wird vorgeschlagen: eine 1. Kommission, die die Herstellung von Fort-
bildungshilfen des altsprachlichen Lehrers (für den linguistischen Unterricht)
vorbereitet; eine 2. Kommission zur kritischen Sichtung der Lehrpläne und Richt-
linien; ein Antrag auf ein Moratorium für alle den AU betreffenden Entschei-
dungen für 5 Jahre. - Die Ergebnisse einer Untersuchung zum Latinum werden
für das nächste Jahr in Aussicht gestellt.

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