Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 11.1968

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Jacob, A.: "Ein Modell ist in seiner Problematik zeitlos gültig"- eine Entgegnung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33078#0029

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
agogischer Lehren.) Lehrt uns nicht die Erfahrung das genau Umgekehrte, sc.
daß im Leben des Menschen nur die Problematik zeitlos gültig ist? Dieser Be-
griff der zeitlos gültigen Problematik nun erscheint in meinem Beitrag fünfmal,
u. zw. überall dort, wo Herr Dr. Schulze unzulässig „Wert“ und „absolut ewige
Wahrheit“ assoziiert.

Daß wir als Philologen, ob Alt- oder Neuphilogen, an bestimmte literarisch
vorfindbare und einen bestimmten Sachverhalt am besten erhellende Modelle
uns im Unterricht halten müssen, bringt es leider auch heute noch zuweilen mit
sich, daß man diesem oder jenem Modell Ewigkeitswert beimißt. Das aber ist
nicht der Sinn der Sache. Das Modell sollte nichts anderes bezwecken, als dem
Schüler die Augen zu öffnen für die Problematik des Lebens, mit Hasan Oz-
bekhans Worten, denen sich Herr Dr. Schulze anschließt: für die „zukünftige
Lebensbewältigung“. Wie der Schüler diese Problematik in der Auseinander-
setzung mit dem Modell, in der „Verifizierung“ des Modells oder, wie man es
auch ausdrückt, zu lösen versucht, ist ganz und gar seine eigene Angelegenheit.
Ein Modell ist also keine res imitanda, es will und soll nicht nachgeahmt wer-
den, sondern nur den Blick für die Problematik öffnen. Nehme man doch end-
lich einmal zur Kenntnis, daß die heutige Altphilologie von der vielfach ihr vor-
geworfenen Verstocktheit in der Antike, mit Herrn Dr. Schulzes Worten: von
der „Antiquiertheit und Rückständigkeit“ so weit entfernt ist wie die Tunika
vom Hemd, die Toga vom Anzug. Wie lange noch wird man Mittel und Zweck,
was die Altphilologie angeht, gedankenlos verwechseln? Mittel sind dem Alt-
philologen die alten Sprachen, die Vergangenheit, Zweck ist ihm die Gegenwart
und die Zukunff.

Um zum Abschluß zu kommen: Ich glaube hinreichend dargelegt zu haben,
daß der Begriff des Modells, wie ich ihn fasse, progressiv (Herr Dr. Schulze nennt
es: dynamisch) ist, nicht statisch. Wohl ist die Form eines Modells, wie z. B.
„Individuum und Gemeinschaft“ etwas Statisches, insofern diese Begriffe in ihrer
Zugeordnetheit zueinander als Problem immer bestanden, auch heute bestehen
und immer bestehen werden, aber in dieser Statik der Form liegt durch die
Problematik der Widersprüchlichkeit ihres Gehaltes etwas Progressives, etwas
Energetisches, d. h. das eiöog, die iveQyeia ist in der öuvapig enthalten, der actus
in der potentia, wie der fertige Baum im Samenkorn, aristotelisch gesprochen.
Darum kommen wir ja auch zu der Definition des Modells als einer [xopcpf] im
aristotelischen Sinne. Wer aber die aristotelische Akt-Potenzlehre als etwas
Statisches deutete, hätte sie gründlich mißverstanden. Aristoteles ist der euQSTi'ig
des jXQcoxov xivoüv dx[vT]TOv. Statik verträgt sich mit dieser Lehre nicht.

Ich gebe zu: vielleicht war der Begriffszusatz „in seiner Problematik“ in
meinem Versuch einer Definition des Begriffes „Modell“ nicht scharf genug her-
ausgestellt, aber ich hätte gedacht, daß in einer derart konzentrierten Sprache,
wie es nun einmal eine Definition ist, in der jedes Wort die Summe einer langen
Überlegung ist, jedes einzelne Wort genaue Beachtung fände. Dies scheint mir
in der Kritik von Herrn. Dr. Schulze, verursacht, durch die von vornherein ange-
nommene unzulässige Assoziation „zeitlos gültig“ = „absolut ewige Wahrheit“
etc. nicht der Fall zu sein. Dabei erscheint mir die Begriffsbedingung des Modells
von F. O. Sauer als eine „verifizierende Interpretation“ herausfordernde Pro-

7
 
Annotationen