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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 23.1980

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Nr. 3
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Bartels, Klaus: Chancen des Lateins
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https://doi.org/10.11588/diglit.33077#0059

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Chancen des Lateins

Sozusagen ein „Studium generale“
Wie an der Universität das Studium der klassischen Philologie, wenn es recht
betrieben wird, ein „Studium generale“ ist, in dem sich — um in mehr oder we-
niger bunter Folge nur einige Hauptgebiete zu nennen — mit der Theologie, der
Dichtung und der bildenden Kunst der Antike, der Geschichte und der Ge-
schichtsschreibung, der Philosophie und der Rhetorik, der politischen Wissen-
schaft und dem Recht, der Kosmologie und den übrigen Naturwissenschaften
und der Medizin geradezu wieder eine neue Universitas litterarum auftut, so bie-
tet in einem enger begrenzten Raum auch an der Schule der Lateinunterricht
die wertvolle Chance eines solchen „Studium generale“.
Denn anders als zumal die Mathematik und die naturwissenschaftlichen Fä-
cher, die Physik, die Chemie, die Biologie und auch die Geographie, ist das
Fach Latein nicht auf die Grenzen einer noch so weiten, noch so reichen Fach-
disziplin beschränkt, sondern vertritt die Kultur der römischen und überhaupt
der antiken Welt in allen ihren Bereichen, im Prinzip einschließlich eben auch
der Mathematik und der genannten naturwissenschaftlichen Disziplinen, die in
der Antike unter dem Dach der „philosophia naturalis“ zu Hause waren. Der
gegen Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Zeichen der deutschen Klassik und
des deutschen Neuhumanismus gebildete und bis weit in unser Jahrhundert hin-
ein gültige, ja in Teilen bis heute maßgebliche Kanon der lateinischen Schullek-
türe, der sich, angefangen bei Cäsars „Gallischem Krieg“, in seinen Autoren im
wesentlichen auf die Klassiker der Ciceronischen und der Augusteischen Zeit
beschränkte und in seinen Texten das Augenmerk auf eine wiederum klassische
Vorbildlichkeit des großen Römers und zumal seines politischen Handelns rich-
tete, konnte lange Zeit über die Weite und Vielfalt dieses Unterrichtsfaches hin-
wegtäuschen.
Tatsächlich hat die lateinische Literatur ja in einer mehr als zwei Jahrtau-
sende währenden, lebendig von Epoche zu Epoche fortwirkenden Tradition,
die von Plautus und Terenz im frühen 2. Jahrhundert v. Chr. über diese „gol-
dene Zeit“ der Ciceronischen und der Augusteischen Klassik, die „silberne Lati-
nität“ der frühen Kaiserzeit, die heidnische und christliche Literatur der Spät-
antike, das lateinische Mittelalter und den Humanismus bis weit in die Neuzeit
hineinreicht, die Ursprünge des europäischen Denkens im alten Griechenland
an das neuere Europa vermittelt. In dieser gleichen Mittlerrolle kann uns das La-
tein heute an der Schule — soweit die griechische Sprache nicht selbst unterrich-
tet wird - einen Zugang zum anthropologischen und theologischen, zum philo-
sophischen, zum politischen und historischen, zum kosmologischen und über-
haupt naturwissenschaftlichen Denken der Griechen wie auch der vermitteln-
den Römer selbst öffnen - eine Weise der Annäherung, die zugleich historisch
denken lehrt. Nicht, daß jeder Lateinunterricht die ganze Vielfalt der in dieser
Universitas litterarum vertretenen Disziplinen einschließen sollte — wer ver-
möchte das zu leisten? —, aber es gilt doch, die hauptsächlichen Wirkungsberei-

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