Griechisch und Latein für ältere Lernanfänger
Schüler der reformierten Oberstufe und Studenten, die das Graecum oder La-
tinum nachträglich erwerben wollen, sind auf eine kürzere Lernzeit angewiesen
als diejenigen, die im Laufe der Schulbildung die alten Sprachen früher erlernen.
Die älteren Lernanfänger haben jedoch schon mindestens eine Fremdsprache
erlernt und ein gewisses Sprachgefühl für ihre Muttersprache erworben. Der
neu sprachliche Unterricht vermittelte ihnen zunächst eine Kompetenz auf dem
Gebiet der Alltagssprache.
Die alten Sprachen lernen sie allerdings nicht zu Zwecken der Informa-
tion und Kommunikation, sondern sie begegnen Texten, die mit rhetorischer
Kunst für eine Wirkung besonders auf Hörer komponiert sind. Sie treten einer
erheblichen Vielfalt von Formen gegenüber, die auf über hundert Seiten einer
Grammatik eine abschreckende Wirkung erzeugen kann. Es ist jedoch durchaus
möglich, der scheinbar verwirrenden Fülle die Gemeinsamkeiten gegenüberzu-
stellen und diese Formenübersicht auf einer einzigen Seite dem Unterricht zu-
grundezulegen. Denn die Bereitschaft zu mechanischem Auswendiglernen kann
bei diesen Lernanfängern nicht vorausgesetzt werden. Sie lernen bei Benutzung
der Tabelle, wie sich die Kennzeichen für Kasus und Personen wiederholen,
welche Veränderungen ihnen in der einzelnen Form durch Ablaut, Kontraktion,
Assimilation begegnen und welche Sinnbeziehungen sich ergeben. Ein Lernen
durch immanente Wiederholung der immer wieder vorkommenden sprachlichen
Erscheinungen verbunden mit Einsichten in den Bau der Sprache ist eine eben-
so sichere Grundlage für das Erfassen von Texten wie das Lernen aller Formen
mit gleichmäßiger Intensität. Wir stellen zwar immer wieder fest, daß die Be-
griffe Subjekt Prädikat Objekt dem Lernenden in neuer Beleuchtung erscheinen
und daß ihm die Beherrschung der deutschen Wortstellungsregel von der Per-
sonalform des Verbs an zweiter Stelle eines Hauptsatzes erst bei der Überset-
zung als notwendig bewußt wird. Er ist zwar dadurch immer wieder verfuhrt,
ein Prädikat auch im fremden Satze zu suchen und deutsche Valenzen und De-
pendenzen zu benutzen. Er merkt jedoch bald, daß das Eingehen auf den
fremden Satzbauplan ihn sicherer leitet. Er lernt mit dem Erfassen etwa einer
einleitenden Umstandsergänzung zunächst eine Ausgangssituation entgegenzu-
nehmen und zu beobachten, wie der fremde Autor seinen weiteren Gedanken
entwickelt. Er hat die fremden Wörter nicht wie ein Computer unter Gleich-
setzung mit einem deutschen gespeichert, sondern er gewöhnt sich daran, die
fremden Vokabeln in ihrer etymologischen Entwicklung zu betrachten und
dem Kontext entsprechend unter synonymen Ausdrücken der Muttersprache
zu wählen. So lernt er zunächst, sich dem antiken Satzbau anzupassen, sich in
die Gedankenwelt des Autors hineinzuversetzen, sich in die von ihm gestaltete
Aussage hineinzudenken und nach Verstehen der Redeabsicht eine Nachgestal-
tung mit den Mitteln der Muttersprache zu erarbeiten. Gerade diese Notwendig-
keit zum Anwenden bestimmter Wortbereiche und Wortformen der Mutter-
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Schüler der reformierten Oberstufe und Studenten, die das Graecum oder La-
tinum nachträglich erwerben wollen, sind auf eine kürzere Lernzeit angewiesen
als diejenigen, die im Laufe der Schulbildung die alten Sprachen früher erlernen.
Die älteren Lernanfänger haben jedoch schon mindestens eine Fremdsprache
erlernt und ein gewisses Sprachgefühl für ihre Muttersprache erworben. Der
neu sprachliche Unterricht vermittelte ihnen zunächst eine Kompetenz auf dem
Gebiet der Alltagssprache.
Die alten Sprachen lernen sie allerdings nicht zu Zwecken der Informa-
tion und Kommunikation, sondern sie begegnen Texten, die mit rhetorischer
Kunst für eine Wirkung besonders auf Hörer komponiert sind. Sie treten einer
erheblichen Vielfalt von Formen gegenüber, die auf über hundert Seiten einer
Grammatik eine abschreckende Wirkung erzeugen kann. Es ist jedoch durchaus
möglich, der scheinbar verwirrenden Fülle die Gemeinsamkeiten gegenüberzu-
stellen und diese Formenübersicht auf einer einzigen Seite dem Unterricht zu-
grundezulegen. Denn die Bereitschaft zu mechanischem Auswendiglernen kann
bei diesen Lernanfängern nicht vorausgesetzt werden. Sie lernen bei Benutzung
der Tabelle, wie sich die Kennzeichen für Kasus und Personen wiederholen,
welche Veränderungen ihnen in der einzelnen Form durch Ablaut, Kontraktion,
Assimilation begegnen und welche Sinnbeziehungen sich ergeben. Ein Lernen
durch immanente Wiederholung der immer wieder vorkommenden sprachlichen
Erscheinungen verbunden mit Einsichten in den Bau der Sprache ist eine eben-
so sichere Grundlage für das Erfassen von Texten wie das Lernen aller Formen
mit gleichmäßiger Intensität. Wir stellen zwar immer wieder fest, daß die Be-
griffe Subjekt Prädikat Objekt dem Lernenden in neuer Beleuchtung erscheinen
und daß ihm die Beherrschung der deutschen Wortstellungsregel von der Per-
sonalform des Verbs an zweiter Stelle eines Hauptsatzes erst bei der Überset-
zung als notwendig bewußt wird. Er ist zwar dadurch immer wieder verfuhrt,
ein Prädikat auch im fremden Satze zu suchen und deutsche Valenzen und De-
pendenzen zu benutzen. Er merkt jedoch bald, daß das Eingehen auf den
fremden Satzbauplan ihn sicherer leitet. Er lernt mit dem Erfassen etwa einer
einleitenden Umstandsergänzung zunächst eine Ausgangssituation entgegenzu-
nehmen und zu beobachten, wie der fremde Autor seinen weiteren Gedanken
entwickelt. Er hat die fremden Wörter nicht wie ein Computer unter Gleich-
setzung mit einem deutschen gespeichert, sondern er gewöhnt sich daran, die
fremden Vokabeln in ihrer etymologischen Entwicklung zu betrachten und
dem Kontext entsprechend unter synonymen Ausdrücken der Muttersprache
zu wählen. So lernt er zunächst, sich dem antiken Satzbau anzupassen, sich in
die Gedankenwelt des Autors hineinzuversetzen, sich in die von ihm gestaltete
Aussage hineinzudenken und nach Verstehen der Redeabsicht eine Nachgestal-
tung mit den Mitteln der Muttersprache zu erarbeiten. Gerade diese Notwendig-
keit zum Anwenden bestimmter Wortbereiche und Wortformen der Mutter-
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