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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 23.1980

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Nr. 3
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Bartels, Klaus: Chancen des Lateins
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Weder, Herbert: Die wiederentdeckte Horazode
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https://doi.org/10.11588/diglit.33077#0064

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die sprachlich-literarischen Fächer, die Mathematik und die naturwissenschaft-
lichen Fächer miteinander verknüpft und die Verwurzelung gerade auch der
Mathematik und der exakten Naturwissenschaften im prinzipiellen Denken der
Griechen deutlich macht.
Bedenkt man die hier nur flüchtig angedeuteten Chancen des humanisti-
schen Unterrichts, die der einzelne Lehrer in ihrer Vielfalt ja niemals wird aus-
schöpfen können, so wird man um den Fortbestand des Latein- und Griechisch-
unterrichts an unseren Gymnasien nicht bangen müssen. Angesichts der Ab-
schaffung des Lateinobligatoriums für ein juristisches oder medizinisches Studi-
um, angesichts der Einführung neuer Maturitätstypen ohne obligatorisches La-
tein ist unter den Vertretern der humanistischen Bildung hie und da eine gewis-
se Resignation aufgekommen. Der Gegenstand des humanistischen Unterrichts,
die geistige Kultur der Antike, sollte durch die unerschöpfliche Vielfalt, die er
in sich birgt, durch die Fülle der hinüber und herüber gehenden Bezüge und
durch seine unschätzbare vereinigende Kraft der Herausforderung der neuen
Wahlfreiheiten ohne den Schutz eines Obligatoriums gewachsen sein. Anlaßzu
kritischer Besinnung auf die besondere Rolle des Faches ist gegeben, nicht aber
Anlaß zur Resignation; im Gegenteil — „O fortunati nimium ...“möchte man
mit dem berühmten Vergil-Vers den Resignierenden zurufen. (Aus: Neue Zür-
cher Zeitung, 31.1.1980) Dr. ^ Bartds

Die wiederentdeckte Horazode

Beim Überprüfen von alten Briefen und Gedichten aus meiner Pennälerzeit entdeckte ich
neulich die Übersetzung einer Horazode (I, 31) im jambischen Versmaß, die ich etwa
ein halbes Jahr vor meiner Abiturprüfung selbst verfaßt und am 24. September 1919 im
Lateinunterricht unseres humanistischen Gymnasiums auch vorgetragen hatte. Diese Ode
war die Übersetzungsaufgabe für diesen Tag gewesen. Die deutsche Wiedergabe der Horaz-
oden erfolgte in der Regel durch den aufgerufenen Schüler mehr oder weniger stockend-
holprig. Ein wirklich flüssiger Vortrag hätte unweigerlich den Verdacht einer betrügerischen
Lesung aus einer (natürlich verbotenen) „Schwarte“ hervorgerufen.
Ausgerechnet an diesem Tage wurde ich zur Übersetzung aufgerufen, was ich — we-
nigstens diesmal - auch erhofft hatte. Ich entschloß mich, wenn auch klopfenden Herzens,
meine schriftliche Übertragung langsam, aber zügig und nicht ohne Ausdruck vorzulesen.
Der Lateinlehrer, unser wegen seiner Gerechtigkeit und noblen Fairneß sehr respektier-
ter Direx, stutzte schon bald nach den ersten Jamben und blickte aufmerksam zu meiner
Bank hin. Jetzt nahm er seinen schwarzumrandeten Klemmer, der meist unbenutzt an
einer schwarzen Schnur über seiner Weste hing, klemmte ihn auf seinem Nasenrücken fest
und schaute, nun meiner Bank schon ganz nahe, gespannt auf mein Horazbuch und auf
den darauf liegenden Zettel. Noch gespannter blickte die Klasse zu mir hin; witterte sie
doch einen belebenden disziplinarischen Zwischenfall.
Aber der Direx ließ mich meine Lesung ruhig vollenden und sagte dann betont freund-
lich und erfreut: „Haben Sie die Verse selbst gemacht?“ Ich bejahte, leicht errötend und
gleichfalls erfreut. Und dann wurde ich vom Direx natürlich auch „pädagogisch ausge-
wertet“ ... Doch lassen wir Horaz selbst in meiner Versübertragung aus dem Jahre 1919
zu uns sprechen:

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