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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 23.1980

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Nr. 3
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Bartels, Klaus: Chancen des Lateins
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https://doi.org/10.11588/diglit.33077#0063

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und ein „autoritäres“ Vater-Sohn-Verhältnis in einem harten Vergleichstest
auf die Probe gestellt werden, oder aus der philosophischen und später christli-
chen Kritik an den grausamen Schauspielen im römischen Amphitheater, die an
die aktuelle Diskussion über die Brutalität auf dem Bildschirm gemahnt. Die
Reihe solcher Perspektiven auf die Gegenwart ließe sich beliebig fortsetzen. Es
geht dabei ja nicht um ein gewaltsames, oberflächliches Aktualisieren, um Ef-
fekthascherei und Gleichmacherei im Sinne des verpönten „Schon die alten
Griechen/Römer...“, sondern um das Aufdecken von Bezügen,die in der durch-
gehenden, aus der Antike mächtig bis in die Gegenwart fortwirkenden Geistes-
tradition begründet sind, es geht darum, das Gleichartige zu vergleichen und das
Ungleichartige in seiner Eigenart zu erkennen - der Wert solcher vergleichender
Betrachtung von Antike und Gegenwart beruht ja gerade auf der komplexen
Verbindung des Vertrauten und des Befremdenden.
Faszinierende Naturwissenschaften
Zumal die Naturwissenschaften der Antike dürften im Kreis solcher Themen
nicht fehlen. Die Geschichte der antiken Astronomie und besonders der Plane-
tentheorie von ihren Anfängen im 6. Jahrhundert v. Chr. bis zu den Epochen-
jahren 1543 und 1610, verbunden mit der Empedokleischen Elementenlehre
und der Aristotelischen Physik des „natürlichen Ortes“ und der „natürlichen
Bewegung“, ist ein vorzügliches Lehrbeispiel für das naturwissenschaftliche
Denken der Antike zwischen Spekulation und Empirie; zu ihr hat der Latein-
unterricht durch Kopemikus einen klassischen Zugang. Doch nicht minder in-
teressant ist die Beschäftigung mit der antiken Atomphysik, die uns von Lukrez
über Epikur auf die vielzitierten Atomisten Leukipp und Demokrit zurückführt,
aber auch auf Platon, der in seinem Altersdialog „Timaios“ die kleinsten Bau-
steine dieser Welt nicht in körperhaften Teilchen, sondern in geometrischen
Strukturen erkennt und so auch zu einer Umwandlung der Elemente Wasser,
Luft und Feuer ineinander gelangt. Zu einem anderen, ebenso interessanten wie
reizvollen Gebiet der antiken Naturwissenschaft, zur Aristotelischen Zoologie,
fuhrt uns der epochemachende Methodenstreit, in dem Platon und Aristoteles
ihr teleologisches Naturverständnis gegen das nichtteleologische der Vorsokrati-
ker durchsetzen und dessen Nachhall uns bei Cicero begegnet — eine Lektüre,
die einem bewußt machen kann, wie stark unser Naturverständnis in dieser ari-
stotelischen, ungebrochen bis in die Goethe-Zeit reichenden Tradition verwur-
zelt geblieben ist.
Humanistische Universalität
Wir sind an den Ausgangspunkt dieser Überlegungen zurückgekommen. Inmit-
ten der vielbeklagten Fächervielfalt des Gymnasiums vermag das Latein kraft
der in seinem Gegenstand gegebenen Universalität nicht nur für sich allein ein
wenn auch notwendigerweise fragmentarisches, exemplarisches „Studium gene-
rale" der antiken Geisteswelt zu bieten, es vermag auch dem Fächerkanon im
ganzen zu stärkerer Einheit zu verhelfen, sozusagen als ein geistiges Band, das

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