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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 23.1980

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Nr. 3
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Weder, Herbert: Die wiederentdeckte Horazode
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Buchbesprechungen
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[Rezension von: Franz Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. I]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33077#0066

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und die — last not least - durch die Liebe zu den Künsten („an Liedern reich“) ein sicheres
Gefühl für Harmonie und für das Schöne und damit auch erst wahre Bildung und persön-
liche Kultur gewonnen und bis ins hohe Alter bewahrt haben.
Vielleicht darf man heute wieder hoffen, daß die Zahl derer beträchtlich zunimmt, die
zu der Einsicht fähig und bereit sind, daß auch eine „tote“ Sprache noch 2000 Jahre nach
ihrer historischen Blütezeit lebendige und tiefgreifende Wirkungen bei jungen Menschen
hervorrufen kann.
Abgesehen davon, daß die Lateinische Sprache bereits auf Grund ihres anerkannt
hohen sprachlogischen Bildungswertes und ihrer aktuellen Bedeutung als eines Binde-
gliedes zwischen den romanischen und den germanisch-bestimmten Völkern eines künfti-
gen Gesamt-Europas eine Sonderstellung einnimmt, erzielen die beiden großen „toten“
Sprachen Europas ihre tiefgreifenden Wirkungen immer wieder vor allem durch die Bil-
dungsgehalte: durch die grundlegenden Werke solcher Philosophen wie Platon, Aristoteles,
Seneca, Cicero und Marc Aurel oder solcher Dichter wie Sophokles, Vergil und Horaz;
durch deren Wertentdeckungen, durch die in ihren Werken auch sprachlich meisterhaft
gestalteten Lebens- und Leitbilder. — Und wenn - nach einem Zeitungsbericht dieser
Tage - ein deutscher Naturwissenschaftler von Weltrang, der Mitbegründer der Atom-
physik, Prof. Otto Hahn, es zeitlebens bedauert hat, daß er nicht aus einem humanistischen,
altsprachlichen Gymnasium hervorgegangen sei, so wird durch dieses Bekenntnis die hohe
Qualität der Wirkungsmöglichkeiten „toter“ Sprachen so unmittelbar spürbar, daß man
meint, sie könne kaum überzeugender bestätigt werden!
Mit diesen Wirkungen aber gewänne vor allem die heranwachsende Jugend unseres
Volkes und darüber hinaus der westlichen Industrienationen für Gegenwart und Zukunft
etwas Entscheidendes, was ihnen eine noch so fortschrittliche Entwicklung ihrer techni-
schen Industrie und ihres Lebensstandards nie vermitteln kann: Voraussetzungen für eine
heute oft schmerzlich vermißte optimale Übereinstimmung im Hinbück auf die ethischen
Grundwerte und besonders auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Menschen-
rechten und den Bürger -Pflichten.
Und so gilt mein Gruß auch und gerade heute nicht aüein meinem alten Dichterfreund
Horaz, sondern weit mehr noch den genannten Philosophen und Dichtern der Klassischen
Antike, die durch ihr Leben und ihre Werke - bereits vor Einführung des Christentums
in Europa - die Grundlagen für eine wirklichkeitsnahe geistige und sittliche Kultur des
Abendlandes geschaffen haben, aus deren Quellen einer europäischen Jugend von heute in
ihren Gymnasien gemeinsam wertvollste geistige Nahrung zufließen könnte - und sollte!
OStR i.R. Dr. Herbert Weder
Salierstr. 4,4950 Minden

Buchbesprechungen
Franz Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. I, Wilhelm
Fink Verlag, München 1975, 594 S„ Ln. 120,- DM
Wer den vorliegenden Band mit den Standardwerken von M. Manitius (München 1911-31)
und G. Gröber (Straßburg 1902, Nachdruck München 1963) vergleicht, erhält einen Ein-
blick in den steten Fortschritt der Forschung und den Umfang der vom Verf. geleisteten
Arbeit. B. führt uns von der Mitte des 6. bis ins 15. Jahrhundert, von Boethius und Cassio-
dor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung, durch fast 1000 Jahre supranationa-
len Schrifttums, die, durch die christliche Kirche geprägt, wohl das Zeitalter der größten
inneren Einheit der abendländischen Welt gewesen sind. Die Entwicklung, Eigenart und
Bedeutung dieses Schrifttums sollen herausgearbeitet und die Autoren bzw. Werke charak-
terisiert, gewürdigt und eingeordnet werden. Es geht nicht mehr um Spätlatein, denn
Latein ist zu dieser Zeit nirgends mehr Volkssprache, sondern Sprache der Kirche, Ver-

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