1) „confecerunt me infirmitates meorum, mortes etiam beginnt der Text:
ein sensibel-verletzbarer Mensch berichtet über Verluste oder doch wenigstens
Krankheitsfälle unter seinen Sklaven, „confecerunt“ drängt an die Briefspitze,
auf den ersten Blick sympathisch berührend wie das Wort „meorum“ (statt
etwa „meorum servorum“), wo sich P. als wahren „pater familias“ hinstellt
(vgl. V 19,2). Immerhin, fährt der Autor fort, findet er „solacia“, denn er habe
seine Sklaven leicht freilassen können, so daß sie nicht „völlig vor der Zeit“
gestorben seien. Sie hätten auch selbst wie Freie über ihren Besitz verfügen
können (1 f).
Doch diese Paraphrase ist unvollständig: „videor ... non omnino inmaturos
perdidisse, quos iam liberos perdidz ... Ipermitto servis.../custodio /...pareo
...“ heißt es da; weniger vom erleichterten Leben der Sklaven ist die Rede (wie
lange vor dem Tod wurden sie eigentlich freigelassen?), als von der eigenen Per-
son des Herrn P.
Auch können die Sklaven nicht richtig befehlen: ,#t iussus“ steht da und
„quasi testamenta ... ut legitima“. Der Herr spielt nur mit, nicht ohne zu ver-
merken, daß dies nicht so sein müßte.
Würde der Brief hier enden, P. könnte trotz allem mit Sympathie beim Leser
rechnen. Lesen wir weiter (3): „sed quamquam his solaciis adquiescam, debili-
tor et frangor eadem illa humanitate, quae me, ut hoc ipsum permitterem , in-
duxit.“ Diese Worte dienen aber nicht nur dazu, des P. Mitempfinden1 zu be-
tonen (was nach 1 f unnötig wäre), sondern dazu, das Gegenbild einiger „Här-
terer“ einzuführen, die sich obendrein „groß und weise“ dünken, wenn sie in
ähnlicher Lage nur von Vermögensverlusten (damnum) reden. Durch solch ein
Gegenbild wird sicher des P. Verhalten um so vorbildlicher, „humaner“ (hominis
est) erscheinen, als es genau der Forderung „... sentire, resistere tarnen et sola-
cia admittere“ (4) entspricht.
Dieser Eindruck wirkt noch gewollter, da der Nebengedanke im Umfang
etwa dem vorgestellten Hauptthema (vgl. 1) entspricht, sich also überraschend
in den Vordergrund drängt. Eigenlob wird als Ziel der Darstellung erkennbar,
das aber in eigenartiger Spannung zur geschilderten Betroffenheit durch die
Vorfälle (confecerunt...) steht.
Dies ist auch P., einem bewußt schreibenden Stilisten (vgl. ep. I 1) nicht ent-
gangen; „verum de his plura fortasse, quam debui, sed pauciora quam volui“ er-
weckt den Eindruck, es gehe nur um den Umfang des Briefes, nicht um die
Verschiebung des Gedankens. Und der toposartige Schlußsatz verdeutlicht das
„plura“ in harmlos-unphilosophischem Sinn „est enim quaedam etiam dolendi
voluptas“. Doch verrät sich P. ebenda, wenn er sagt „praesertim si in amici sinu
defleas, apud quem lacrimis tuis vel laus sit parata vel venia“. Man muß vom
Begriff des Lobes nur zum Anfang (confecerunt ...) zurückblicken, um zu er-
1 Plinius’ Fähigkeit mitzuempfinden soll nicht in Zweifel gezogen werden; vgl. etwa IX
21 (2) und IX 24, wo beschrieben wird, wie ein Freigelassener eines Freundes ausge-
rechnet Plinius um Vermittlung zwischen ihm und seinem Herrn bittet.
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ein sensibel-verletzbarer Mensch berichtet über Verluste oder doch wenigstens
Krankheitsfälle unter seinen Sklaven, „confecerunt“ drängt an die Briefspitze,
auf den ersten Blick sympathisch berührend wie das Wort „meorum“ (statt
etwa „meorum servorum“), wo sich P. als wahren „pater familias“ hinstellt
(vgl. V 19,2). Immerhin, fährt der Autor fort, findet er „solacia“, denn er habe
seine Sklaven leicht freilassen können, so daß sie nicht „völlig vor der Zeit“
gestorben seien. Sie hätten auch selbst wie Freie über ihren Besitz verfügen
können (1 f).
Doch diese Paraphrase ist unvollständig: „videor ... non omnino inmaturos
perdidisse, quos iam liberos perdidz ... Ipermitto servis.../custodio /...pareo
...“ heißt es da; weniger vom erleichterten Leben der Sklaven ist die Rede (wie
lange vor dem Tod wurden sie eigentlich freigelassen?), als von der eigenen Per-
son des Herrn P.
Auch können die Sklaven nicht richtig befehlen: ,#t iussus“ steht da und
„quasi testamenta ... ut legitima“. Der Herr spielt nur mit, nicht ohne zu ver-
merken, daß dies nicht so sein müßte.
Würde der Brief hier enden, P. könnte trotz allem mit Sympathie beim Leser
rechnen. Lesen wir weiter (3): „sed quamquam his solaciis adquiescam, debili-
tor et frangor eadem illa humanitate, quae me, ut hoc ipsum permitterem , in-
duxit.“ Diese Worte dienen aber nicht nur dazu, des P. Mitempfinden1 zu be-
tonen (was nach 1 f unnötig wäre), sondern dazu, das Gegenbild einiger „Här-
terer“ einzuführen, die sich obendrein „groß und weise“ dünken, wenn sie in
ähnlicher Lage nur von Vermögensverlusten (damnum) reden. Durch solch ein
Gegenbild wird sicher des P. Verhalten um so vorbildlicher, „humaner“ (hominis
est) erscheinen, als es genau der Forderung „... sentire, resistere tarnen et sola-
cia admittere“ (4) entspricht.
Dieser Eindruck wirkt noch gewollter, da der Nebengedanke im Umfang
etwa dem vorgestellten Hauptthema (vgl. 1) entspricht, sich also überraschend
in den Vordergrund drängt. Eigenlob wird als Ziel der Darstellung erkennbar,
das aber in eigenartiger Spannung zur geschilderten Betroffenheit durch die
Vorfälle (confecerunt...) steht.
Dies ist auch P., einem bewußt schreibenden Stilisten (vgl. ep. I 1) nicht ent-
gangen; „verum de his plura fortasse, quam debui, sed pauciora quam volui“ er-
weckt den Eindruck, es gehe nur um den Umfang des Briefes, nicht um die
Verschiebung des Gedankens. Und der toposartige Schlußsatz verdeutlicht das
„plura“ in harmlos-unphilosophischem Sinn „est enim quaedam etiam dolendi
voluptas“. Doch verrät sich P. ebenda, wenn er sagt „praesertim si in amici sinu
defleas, apud quem lacrimis tuis vel laus sit parata vel venia“. Man muß vom
Begriff des Lobes nur zum Anfang (confecerunt ...) zurückblicken, um zu er-
1 Plinius’ Fähigkeit mitzuempfinden soll nicht in Zweifel gezogen werden; vgl. etwa IX
21 (2) und IX 24, wo beschrieben wird, wie ein Freigelassener eines Freundes ausge-
rechnet Plinius um Vermittlung zwischen ihm und seinem Herrn bittet.
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