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Vogtherr, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter: (900 - 1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 5: Stuttgart, 2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.30326#0038

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Der Rechtsstatus der Reichsabteien

gegenüber*. Übertrug ein Klosterherr diese Befugnisse auf einen anderen Inhaber,
so konnte er die Herrschaft über das Eigenkloster gänzlich abtreten, aber auch be-
liebige Teile sich selber Vorbehalten.
Im Zentrum dieser Vorbehalte bei Klostertraditionen stehen Verfügungen über
die Klostervogtei und die Bestellung der Vorsteher des adligen Eigenklosters, nun-
mehrigen Königsklosters. Die Vogtei als ein dingliches Recht und die Abts- bzw. Äb-
tissinneneinsetzung durch den Kirchenherrn als eigenkirchlich begründetes Recht
stehen dabei trotz ihrer unterschiedlichen Rechtsqualität beim Vorgang der Klo-
stertradition an die Herrscher in ottonischer und frühsalischer Zeit im Mittelpunkt.
Diese adligen Vorbehaltsrechte werden bei Gelegenheit der Klostertradition
zum Gegenstand der von den Königen ausgestellten Schutz- und Wahlprivilegien.
In ihnen stoßen die adligen Interessen an der Wahrung eines rudimentären Einflus-
ses und die königlichen Versuche der Durchsetzung einer gleichmäßigen Kloster-
herrschaft aufeinander. Die Begegnung zweier unterschiedlicher Einflußbereiche
nötigt zu einer differenzierten Definition des rechtlichen Status der nunmehrigen
Reichsklöster. Mehr als bei anderer Gelegenheit wird hier die Rechtsstellung der
neuen Reichsklöster zwischen adligen Stiftern und königlichem Herrn präzisiert.
Besonders unter den drei ersten Ottonen sind zahlreiche Traditionen von vor-
maligen Adelsklöstern in die Hand der Herrscher überliefert. Für diese Übertra-
gungen formuliert Otto I. anläßlich der Privilegierung der Liudolfingergründung
Quedlinburg im Jahre 936 sogleich das im Grundsatz auch weiterhin geltende Mu-
ster: Das Stift wird dem Schutz des Königs und aller seiner Amtsnachfolger unter-
stellt, gleichgültig, aus welcher Familie sie gewählt werden sollten; es erhält die freie
Äbtissinnenwahl zugestanden, während jedoch die Vogtei dem jeweils mächtigsten
Angehörigen der ottonischen Familie (üosfmc cogiMü'om's poiczzh'ssz'zzizzs
szü übertragen wircP. So wird diese Klostergründung der Liudolfinger durch den
Aufstieg der Familie zum Königtum gleichzeitig Reichsstift, erhält umfassende Pri-
vilegierungen, wird jedoch hinsichtlich der Vogtei ausdrücklich weiterhin wie ein
Eigenstift einer Adelsfamilie behandelt, die sich die Vogtei unter denjenigen Bedin-
gungen vorbehält, die sie selber setzt.
Ähnliche Vorschriften mit dem Vorbehalt der Stiftervogtei finden sich auch in
mehreren weiteren Fällen: Das immedingische Hausstift Ringelheim dürfte 941 un-
ter seiner vermutlich ersten Äbtissin Eimholt von Otto I. eine Immunitätsurkunde
verliehen bekommen haben, in der sich die Immedinger die Stiftervogtei vorbe-
hielten (4ü nzzPizs adzwcaüzs izz'sz z?ztz cx conzziz gcrz+zzzze tauend, Hz'&m /zzzlzAzüzz')'.

4 Für den Nachweis dieser allgemein bekannten Entwicklungen genüge der Hinweis auf: ScHiEF-
FER, Eigenkirche, sowie die dort genannte Literatur.
5 Zum Problemkreis der Klostervogtei insgesamt vgl. Kapitel 11 2.
6 MGH D O 11. - Den anhaltenden Streit um die in diesem Stück ausgesprochene Auffassung Ot-
tos I. von der Rolle seiner Familie hinsichtlich der Vogtei dürfte HOFFMANN, Ottonische Fragen,
S. 69-71, vor allem gegen SCHMID, Thronfolge, entschieden haben; vgl. im übrigen auch THIELE,
Klosterimmunität, S. 8-11.
7 MGH D OI +435. - Die gründliche Untersuchung dieser Fälschung durch PETKE, Ringelheim, er-
brachte, daß die Nachrichten über die Stifterfamilie sowie die Klauseln zu Immunität und Vog-
tei als Mindestinhalt einer echten Urkunde Ottos I. von 941 }an. 17 anzusehen sind, die dann
1150/54 angesichts der drohenden Umwandlung des Stiftes in ein Benediktinerinnenkloster
gründlich überarbeitet wurde; hinter Petke zurückbleibend: THIELE, Klosterimmunität S. 31-33.
 
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