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Vogtherr, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter: (900 - 1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 5: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.30326#0037

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2. Rechtsvorbehalte bei
Klosterauftragungen an das Reich

Der Rechtsvorgang der fmtü'ü'o eines Klosters an einen neuen Herrn ist seit dem
8. Jahrhundert belegt und wird geradezu zu einem Charakteristikum der klösterli-
chen Entwicklung unter den Karolingern bis zu Karl dem Großen und Ludwig dem
Frommen. Parallel mit dem Machtverfall der späten Karolinger nehmen jedoch Tra-
ditionen adliger Klöster an die Herrscher ab, bis es Otto I. wieder gelingt, durch eine
straffere Klosterpolitik und eine im allgemeinen größere Intensität der Königsherr-
schaft neue Traditionen adliger Klöster an das Reich zu erwirken. Im Laufe der etwa
anderthalb Jahrhunderte seit 900 bis um die Mitte des 11. Jahrhunderts kommt
so eine große Anzahl adliger Klostergründungen durch Übertragung an die Otto-
nen und frühen SalierS Die letzten einschlägigen Traditionen betreffen die beiden
Stifte der Grafen von Lenzburg in Beromünster und Schännis, die 1045 an König
Heinrich III. übertragen werden*.
Bei vielen dieser Traditionen gingen jedoch nicht alle Rechte der adligen Ei-
genklosterherren an das Reich über. Die Tradenten machten vielmehr Vorbehalte gel-
tend, die sie sich in den meisten Fällen anläßlich der Gewährung von Königsschutz
und königlichen Wahlprivilegien eigens beurkunden ließen. Diese Fälle sind einer
genaueren Betrachtung wert, denn die übliche Sichtweise, daß durch die erzwun-
gene Hinnahme derartiger Reservatrechte adliger Stifter die herrscherliche Stellung
gegenüber diesen tradierten Klöstern geschwächt worden sei, deckt nur einen mög-
lichen Blickwinkel aÜ. Zu fragen ist mehr als bisher nach dem möglichen Zusam-
menspiel zwischen adligen und königlichen Interessen bei Klosterübertragungen.
Die Vielfalt der Rechte adliger Klosterherren leitete sich einerseits aus den Be-
fugnissen eines Eigenkirchen- bzw. Eigenklosterherrn ab, wie sie sich im wesentli-
chen seit den Zeiten Ludwigs des Frommen entwickelt hatten. Danach stand dem
Besitzer einer derartigen Institution im wesentlichen das Recht der Besetzung der
Stellen mit Geistlichen eigener Wahl, das Recht auf Teilhabe am Zehntaufkommen
sowie das Recht zu weltlicher Verwaltung der der Kirche gehörenden Güter zu. Als
Pflichten standen dem der Bestandsschutz des Klosters oder der Kirche, die Unter-
haltung des oder der Geistlichen sowie der Schutz der Kirche gegen äußere Angriffe

1 Grundlegend: SEMMLER, Traditio, S. 16-33; THIELE, Klosterimmunität. - Eine Liste der dem Reich
übertragenen Nonnenklöster bei HöRGER, Fürstäbtissinnen, S. 200-203.
2 MGHDDHHI 129,130.
3 So wertet SEMMLER, Traditio, S. 17, deutlich: »ist es Otto I. nicht gelungen, (...) die Rechte der Fun-
datoren gänzlich auszuschließen«.
 
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