Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vogtherr, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter: (900 - 1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 5: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30326#0285

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Reichsabteien im Verfassungsgefüge des
hochmittelalterlichen Reiches

Am Ende der karolingischen Herrschaft in Ostfranken hatte die karolingische
Reichskirche bereits einen hohen Grad an Organisation und innerer Differenzierung
erreicht. Bistümer und Kirchenprovinzen hatten sich seit den Zeiten Karls des
Großen mehr und mehr organisatorisch stabilisiert und trugen vor allem von Main-
franken und Hessen aus die Mission der nichtchristlichen Nachbarn des Reiches im
Nordosten und Osten. Großklöster wie die Reichenau und Sankt Gallen im Süden,
wie die fränkischen Abteien Fulda und Hersfeld und das sächsische Corvey hatten
sich zu Zentren kulturellen Lebens entwickelt. Einige von ihnen spielten eine nicht
zu unterschätzende Rolle in der Durchdringung der Missionsgebiete mit Taufkir-
chen oder dienten als Ausbildungsstätten künftiger Reichsbischöfe, mit deren Hilfe
die herrschaftliche Integration des ostfränkisch-karolingischen Reiches gefördert
und das ihm noch fernerstehende Sachsen daran gebunden werden konnte.
Die »Einstaatung« der einzelnen Glieder der Kirche in das Reich war seit der
Regierung Ludwigs des Frommen durch eine neuartige und bis dahin unbekannte
Kombination von Immunität und Königsschutz, ergänzt durch das Wahlrecht, vor-
angetrieben worden. Die gemeinsame Grundlage monastischen Lebens im karolin-
gischen Reich hatte seit den Aachener Synodalbeschlüssen Ludwigs des Frommen
816/817 die Regel Benedikts von Nursia werden sollen. Dieses Bestreben fand sei-
nen Ausdruck in der Beauftragung Benedikts von Aniane mit der Anleitung von Re-
formen in dieser Richtung. Wenn sich auch weitgehende Vorstellungen über die
Durchsetzbarkeit einer einzigen, im gesamten Reiche einheitlich verstandenen mo-
nastischen Regel nicht erfüllen ließen, so gelang es auf diesem Wege doch, die Mehr-
heit der dem Königtum nahestehenden Klöster des karolingischen Reiches auf Be-
nediktsregel zu verpflichten. Die späterhin auftretende innere Differenzierung
benediktinischer Mönchskonvente in eine Mehrzahl miteinander konkurrierender
Klostergruppen zeichnete sich bereits in karolingischer Zeit ab und führte um die
Wende des 9. zum 10. Jahrhundert zur Ausbildung deutlich unterscheidbarer Con-
suetudines.
Dennoch war zum Zeitpunkt des Aussterbens der ostfränkischen Karolinger
911 eine in sich verhältnismäßig einheitlich strukturierte Reichskirche entstanden,
die nun den Nachfolgern der Karolinger, zunächst Konrad I. und dann den Otto-
nen, anheimfallen sollte. Der Kreis der Königsklöster hatte sich seit der hochkaro-
lingischen Zeit zwar vielfach verändert, nicht nur erweitert, war aber um 900 eini-
germaßen stabilisiert und umfaßte etwa fünfzig Mönchsklöster und rund zwei
Dutzend Frauenklöster und -stifte im gesamten ostfränkisch-deutschen Reichsge-
biet. Ihnen war die Ausstattung mit Königsschutz und Immunität gemeinsam. Min-
 
Annotationen