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Vogtherr, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter: (900 - 1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 5: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.30326#0218

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4. Reichsabteien als Itinerarstationen
der Herrscher

Nach einer häufig zitierten Formel übten die mittelalterlichen Kaiser und Kö-
nige »ihr hohes Gewerbe im Umherziehen« ausk Damit wird das für die deutsche
Geschichte lange Zeit kennzeichnende Fehlen einer Residenzstadt des Reiches
ebenso in eine griffige Formel gefaßt wie die sich daraus ergebende Besonderheit
der Reiseherrschaft der Flerrscher. Das Itinerar, die Aufeinanderfolge der von den
Kaisern und Königen besuchten Orte und Regionen, die Länge der Aufenthalte an
den einzelnen Stationen, die dort jeweils wahrgenommenen Aufgaben, ihre Beglei-
tung von Ort zu Ort durch geistliche und weltliche Fürsten sowie durch das Perso-
nal des Hofes: Alles das sind Fragestellungen der seit langem gepflegten Itinerar-
forschung, insofern sie sich nicht nur als statistische Aufnahme der äußeren Seiten
königlicher Herrschaft, sondern als Hilfsmittel zur Erkenntnis verfassungsge-
schichtlicher Erscheinungen begreift^
Die bisherigen Ergebnisse der Itinerarforschung, gegründet auf die Erfassung
überlieferter Aufenthalte der Herrscher, haben gezeigt, daß die Karolinger bis zum
Ende ihrer Herrschaft ihren Aufenthalt immer wieder in den Königspfalzen und
den kontinuierlich seit der Spätantike zentral gebliebenen Civitates genommen ha-
ben. Die Ottonen im ostfränkischen Bereich setzten diese Tradition fort und stütz-
ten sich ebenfalls überwiegend auf ihre Pfalzen. Unter Heinrich II. begannen die Bi-
schofsstädte, vor allem in den Randgebieten ottonischer Herrschaft^, an Bedeutung
zu gewinnen, und es stellte sich insofern eine langsame, jedoch merkliche Verände-
rung der Itinerargewohnheiten ein, als die Herrscheraufenthalte in den Pfalzen an
Bedeutung zu verlieren begannen. Mit der Inanspruchnahme der Reichskirche auch
für Zwecke der Reichsverwaltung, wie sie unter den ersten Saliern einen Höhe-
punkt erreicht, nahm die Zahl der Itineraraufenthalte der Herrscher in Bischofs-
städten dann stark zu. Erst als Folge des Investiturstreites einerseits, andererseits
veranlaßt durch das Aufkommen der Städte vor allem in den ehemals römisch be-
siedelten Gebieten des Ostfränkischen Reiches, ergibt sich unter den frühen Stau-
fern wiederum eine Veränderung der Itinerargewohnheiten hin zu einer verstärk-
ten Konzentration auf Städte im allgemeinen und die Reichsstädte im besonderen.

1 SCHULTE, Antäufe, S. 132.
2 Grundlegende Literatur: MAYER, Wirkungsbereich; RtECKENBERG, Königsstraße und Königsgut;
PEYER, Reisekönigtum; BRÜHL, Fodrum; MÜLLER-MERTENS, Reichsstruktur; MÜLLER-MERTENS/
HuscHNER, Reichsintegration; BERNHARDT, Kingship.
3 In den politischen Zentralräumen der Ottonen überwiegen auch unter Konrad II. die Pfalzorte
als Itinerarstationen im Verhältnis 64:36, in den neuen salischen Nahzonen der Königsherrschaft
hingegen die Bischofssitze mit 67:33 (MÜLLER-MERTENS, Reich und Hauptorte, S. 154f.).
 
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