Der Rechtsstatus der königlichen Familien- bzw. Hausklöster
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Die große Nähe zwischen der ottonischen Familie und den Gandersheimer Äb-
tissinnen brachte dem Stift auch umfangreiche Besitzungen aus könighchen Schen-
kungen ein. Die Kette dieser Besitzübertragungen reißt während der gesamten Zeit
der liudolfingischen Herrschaft nicht ab, auch nicht, als mit Heinrich II. ein eher ent-
fernter Seitenverwandter der Gandersheimer Vorsteherinnen zum König gewählt
wurde". Im Jahre 1021 wird dem Stift sogar eine Verleihung von Grafschaftsrechten
verbrieft, deren Umfang und späterer Verbleib allerdings außerordentlich un-
durchsichtig sind".
Jedoch wird die Kette der Besitzübertragungen in gewisser Hinsicht brüchiger:
Althoff hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß nach der Gründung Qued-
linburgs die Intensität der Zuwendungen Ottos I. an Gandersheim deutlich zurück-
geht und daß das Pendel erst in dem Moment wieder zugunsten Gandersheims aus-
schlägt, als dorthin - und eben nicht nach Quedlinburg - Ottos II. Tochter Sophia
zur Erziehung gegeben wird".
Im gleichen Zusammenhang kann man auch die Frage nach dem Entstehen liu-
dolfingischer Hausüberlieferung sehen: Mit den Werken der Stiftsdame Hrotsvit
von Gandersheim entstehen in diesem Stift in den Jahren nach 960 mehrere Arbei-
ten, die sich auf verschiedene Weise und in verschiedenen literarischen Genera u. a.
mit der Geschichte der Liudolfinger oder den Geschicken Gandersheims auseinan-
dersetzen und die wenn nicht einen Teil einer »liudolfingischen Hausüberliefe-
rung« ausmachen, so doch das Bild zeigen, das der Gandersheimer Konvent vom
ottonischen Haus und seiner Stellung zu ihm besaß". Diese Werke entstehen, um
dies deutlich zu wiederholen, in Gandersheim zu einem Zeitpunkt, als die führende
Rolle im Memorialwesen der Ottonen längst an Quedlinburg übergegangen ist und
das Gandersheimer Stift in die zweite Linie zurückgetreten scheint.
Freilich bleiben die Gandersheimer Äbtissinnen, bleibt insbesondere die spä-
tere Äbtissin Sophia zu Zeiten Ottos III., in engem Kontakt zum Herrscherhof. Re-
gelmäßige Reisen führen sie bis nach Süddeutschland und sorgen auf diese Weise
dafür, daß neben den familiären Verbindungen auch die Bindungen des Stifts an das
Königtum nicht gänzlich abreißen.
Diese recht enge Bindung Gandersheims an das Königtum bleibt auch in der
Frühzeit der Salier erhalten. Konrad II., der wie kein Herrscher vor ihm dem
Gandersheimer Streit nicht ausweichen konnte, brachte ihn schließlich im wesent-
lichen im Gandersheimer Sinne zu einem Ende. Er war mit den Mißhelligkeiten
schon während seines Umrittes in Sachsen in den ersten Wochen des Jahres 1025
konfrontiert worden".
Unter Heinrich III. findet dann die Anbindung Gandersheims auch an das sa-
lische Königtum seinen vollen Ausdruck: Nacheinander amtieren seine beiden
Töchter Beatrix (1044-61) und Adelheid (1061-96) als Gandersheimer Äbtisssinnen,
11 Besitzschenkungen: MGH DD OI 89,180,422,0 II35,36,119,201, 202b, 214,0 III 66, 67,146, HII
205, 206,323.
12 Ebd. 444. - HoFFMANN, Grafschaften, S. 396-401.
13 ALTHOFF, Gandersheim und Quedlinburg, S. 126f.
14 Dazu ebd., S. 137-142, mit berechtigten Zweifeln am Begriff einer »ottonischen Hausüberliefe-
rung«.
15 BÖHMER-AppELT 15a, 17a/b, 20b. - Im übrigen vgl. GoETTiNG, Gandersheimer Streit.
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Die große Nähe zwischen der ottonischen Familie und den Gandersheimer Äb-
tissinnen brachte dem Stift auch umfangreiche Besitzungen aus könighchen Schen-
kungen ein. Die Kette dieser Besitzübertragungen reißt während der gesamten Zeit
der liudolfingischen Herrschaft nicht ab, auch nicht, als mit Heinrich II. ein eher ent-
fernter Seitenverwandter der Gandersheimer Vorsteherinnen zum König gewählt
wurde". Im Jahre 1021 wird dem Stift sogar eine Verleihung von Grafschaftsrechten
verbrieft, deren Umfang und späterer Verbleib allerdings außerordentlich un-
durchsichtig sind".
Jedoch wird die Kette der Besitzübertragungen in gewisser Hinsicht brüchiger:
Althoff hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß nach der Gründung Qued-
linburgs die Intensität der Zuwendungen Ottos I. an Gandersheim deutlich zurück-
geht und daß das Pendel erst in dem Moment wieder zugunsten Gandersheims aus-
schlägt, als dorthin - und eben nicht nach Quedlinburg - Ottos II. Tochter Sophia
zur Erziehung gegeben wird".
Im gleichen Zusammenhang kann man auch die Frage nach dem Entstehen liu-
dolfingischer Hausüberlieferung sehen: Mit den Werken der Stiftsdame Hrotsvit
von Gandersheim entstehen in diesem Stift in den Jahren nach 960 mehrere Arbei-
ten, die sich auf verschiedene Weise und in verschiedenen literarischen Genera u. a.
mit der Geschichte der Liudolfinger oder den Geschicken Gandersheims auseinan-
dersetzen und die wenn nicht einen Teil einer »liudolfingischen Hausüberliefe-
rung« ausmachen, so doch das Bild zeigen, das der Gandersheimer Konvent vom
ottonischen Haus und seiner Stellung zu ihm besaß". Diese Werke entstehen, um
dies deutlich zu wiederholen, in Gandersheim zu einem Zeitpunkt, als die führende
Rolle im Memorialwesen der Ottonen längst an Quedlinburg übergegangen ist und
das Gandersheimer Stift in die zweite Linie zurückgetreten scheint.
Freilich bleiben die Gandersheimer Äbtissinnen, bleibt insbesondere die spä-
tere Äbtissin Sophia zu Zeiten Ottos III., in engem Kontakt zum Herrscherhof. Re-
gelmäßige Reisen führen sie bis nach Süddeutschland und sorgen auf diese Weise
dafür, daß neben den familiären Verbindungen auch die Bindungen des Stifts an das
Königtum nicht gänzlich abreißen.
Diese recht enge Bindung Gandersheims an das Königtum bleibt auch in der
Frühzeit der Salier erhalten. Konrad II., der wie kein Herrscher vor ihm dem
Gandersheimer Streit nicht ausweichen konnte, brachte ihn schließlich im wesent-
lichen im Gandersheimer Sinne zu einem Ende. Er war mit den Mißhelligkeiten
schon während seines Umrittes in Sachsen in den ersten Wochen des Jahres 1025
konfrontiert worden".
Unter Heinrich III. findet dann die Anbindung Gandersheims auch an das sa-
lische Königtum seinen vollen Ausdruck: Nacheinander amtieren seine beiden
Töchter Beatrix (1044-61) und Adelheid (1061-96) als Gandersheimer Äbtisssinnen,
11 Besitzschenkungen: MGH DD OI 89,180,422,0 II35,36,119,201, 202b, 214,0 III 66, 67,146, HII
205, 206,323.
12 Ebd. 444. - HoFFMANN, Grafschaften, S. 396-401.
13 ALTHOFF, Gandersheim und Quedlinburg, S. 126f.
14 Dazu ebd., S. 137-142, mit berechtigten Zweifeln am Begriff einer »ottonischen Hausüberliefe-
rung«.
15 BÖHMER-AppELT 15a, 17a/b, 20b. - Im übrigen vgl. GoETTiNG, Gandersheimer Streit.