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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0025
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24

I. Einleitung

Das höchste Potential für individuelle Kommunikationsüberlieferung ent-
halten Briefe46, die im Sinne der Netzwerkanalyse als Beobachtungsdaten ver-
standen werden. Sie geben nicht nur Hinweise auf Ereignisse, sondern enthalten
neben infrastrukturellen Informationen47 zusätzlich Vorstellungen, explizieren
Standpunkte, nennen gemeinsame Bekannte und Freunde, Verhandlungspart-
ner und Gegner - freilich alles aus Sicht des Absenders und ohne Gewähr, dass
diese Briefe auch abgeschickt wurden bzw. ihre Adressaten erreichten.48 Pro-
blematisch ist dabei die Grenzziehung zwischen historischer und literarischer
Dimension.49
Neben Einzelüberlieferungen von Äbten und Päpsten ist als absoluter Son-
derfall das 180 Briefe umfassende Corpus des Eremiten Petrus Damiani auf uns
gekommen.50 Es liegt in einer modernen Edition sowie einer englischen Über-
setzung vor.51 Generell lässt sich allerdings nur selten etwas darüber erfahren, ob
den überlieferten Briefen Mitteilungen des Adressaten vorausgingen oder ob
dieser eine Antwort zurücksandte.52 Ganz zu schweigen von deren jeweiligen
Inhalten. Häufig sind die Adressaten auch lediglich mit Siglen bezeichnet und
daher nicht bzw. nur unter Vorbehalten zu identifizieren.53 Dieses Beispiel ver-

Kirchenreform unter besonderer Berücksichtigung der Regierungszeit Heinrichs III.', die für die
Jahre 1039-1056 allein 47 Personen als reformengagiert identifizierte.
46 Zur Gattung vgL Hitzbleck, Tagungsbericht 2011 zur Tagung Briefkultur im 13. und 14. Jahr-
hundert. Der Brief als Medium der Kommunikation im Umfeld der römischen Kurie (Berlin 2011);
Boureau, Norme 1991; H. Hoffmann, Brieftechnik 1964; die Auflistung bei Wetzstein, Bedeutung
2008, S. 258f., Anm. 28.
47 Darunter werden Informationen zum Ablauf der Kommunikation verstanden: Abfassung des
Briefes, ihm vorausgegangene Kommunikation, sein Transport usw. Zur generellen Bedeutung
von Briefen und Brief Sammlungen als Quellen für die Geschichte des Nachrichtenaustauschs
vgL Freund, Boten 2001.
48 Zur Unterscheidung von Verfasser, Schreiber und Absender vgL Köhn, Latein 1986, S. 345;
Constable, Letters 1976, S. 42-46. Zu Reindels These, Damianis Briefe seien vielleicht gar nicht
abgeschickt worden, vgL dens., Korrespondenten 1975.
49 VgL R. Schieffer - Schaller, Briefe 1976. - Dem Thema widmete sich die Tagung Brief und
Kommunikation im Wandel. Formen, Autoren und Kontexte in den Debatten des Investiturstreits
(Hartmann, Brief 2016).
50 Dieser Sonderfall birgt freilich die Gefahr einer unverhältnismäßigen Verzerrung, denn über
Erhaltenes werde mehr gearbeitet und der Abstand zwischen Überliefertem und Nicht-Über-
liefertem auf diese Weise noch größer, so Esch, Überlieferungs-Chance 1985, S. 550.
51 Edition: Petrus Damiani, Briefe 1-4; Übersetzung: Peter Damian, Letters. Relevant für die vor-
liegende Fragestellung respektive deren engeren Untersuchungszeitraum sind aus zeitlichen
und inhaltlichen Gründen die Briefe 1-129.
52 Solche Einblicke gewährt nur der Briefverkehr zur Verwandtenehe Heinrichs III. sowie das
Briefcorpus Petrus Damianis: Beispielsweise beschwerte sich Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 75, S.
375-377 bei Archidiakon Hildebrand im Jahr 1060, dass dieser ihm nicht schreibe. Der gleiche
Vorwurf traf wenige Jahre später Abt Desiderius von Montecassino (ders., Briefe 3, Nr. 95). Eines
von nur zwei erhaltenen Antwortschreiben an Damiani ist das Vorwort des so genannten Liber
gommorhianus (ders., Briefe 1, Nr. 31).
53 VgL Wetzstein, Bedeutung 2008, S. 259.
 
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