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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0029
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28

I. Einleitung

lieh Erwähnungen von Treffen, Gesprächen und Reformhandlungen ebenso in
Viten und Gestae finden, doch darf die Darstellungsabsicht nie außen vor ge-
lassen werden.76 In diesen Fällen bleibt die konkrete Kommunikationssituation
zudem häufig unklar.77
Erzählende Quellen wie Chroniken und Annalen berichten meistenteils
summarisch und bereiten der Verwendung statistischer Methoden durch ihren
typischen „Mangel an Interesse für eine ,interne' Genauigkeit unterhalb des
Jahresdatums"78 zusätzliche Schwierigkeiten. Darüber hinaus sind einige Au-
toren schlecht informiert und/oder durch die Auseinandersetzungen im Inves-
titurstreit in ihrer Sichtweise beeinflusst.79 In dieser Hinsicht ,unbelastete'
Quellen sind kaum vorhanden. Dies wird bei den oberitalienischen Reformbe-
wegungen ab den 1050er Jahren in Brescia, Cremona, Florenz, Piacenza und
Mailand deutlich, wobei die Mailänder Verhältnisse am besten dokumentiert
sind: Verschiedene Quellengattungen haben sich sowohl von Reformern als auch
von ihren Gegnern erhalten und sind entsprechend perspektivisch verfasst.80 Bei

76 Vgl. die Neuinterpretation der Gesta epp. Cameracensium bezüglich des Gottesfriedens von
1023 und der Rolle Bischof Gerhards I. von Cambrai durch Riehes, Peace 2010. S. dazu aus-
führlicher unten Anm. 179.
77 S. unten Anm. 297.
78 Goetz, Geschichtsschreibung 2008, S. 204.
79 Ein häufig starkes Engagement für Probleme der Gegenwart habe die Geschichtsschreiber
zwangsläufig zur Parteinahme herausgefordert. Demzufolge habe weniger der tatsächliche
Verlauf der Ereignisse im Mittelpunkt der Darstellung gestanden, sondern die mehr oder we-
niger subjektiv gefärbte Meinung, die sich der Chronist von ihnen gebildet hatte. Weiter sei das
Bestreben erkennbar, auf die Meinungsbildung der Zeitgenossen einzuwirken, so Struve, Wende
1992, S. 356. Struve führte als Beispiel den Bericht des Niederaltaicher Annalisten über die
Auseinandersetzungen um den simonistischer Praktiken beschuldigten Robert von Bamberg an:
Der Annalist rechtfertige seinen Bericht damit, dass er in erzieherischer Absicht eine auf die
Zeitgenossen ausgehende abschreckende Wirkung haben solle (vgl. Ann. Altahenses zu 1071, S.
84).
80 Zum Zusammenhang zwischen religiösen Konflikten und kommunaler Entwicklung in den
genannten Städten vgl. die herausragende Arbeit von Zumhagen, Konflikte 2002. Zur Quel-
lenlage für Mailand vgl. ebd., S. 28-42; Golinelli, Pataria 1984, S. 23-34. - Für die Reform des
Mailänder Klerus stehen die Briefe des Priesters Siro, des Predigers Ariald als Anführer der
Reformbewegung sowie Papst Alexanders II.; Ariald wurde zudem um 1075 eine eigene Vita
gewidmet: Die Briefe Siros und Arialds sind als Anhang der Vita s. Arialdi überliefert (Andrea di
Strumi, Vita s. Arialdi). Eine italienische Übersetzung bot Golinelli, Pataria 1984, S. 69-116. - Die
Briefe Papst Alexanders II. finden sich bei Migne (Alexandri II epistolae) sowie ergänzend in den
Epistolae ineditae. - Auch der Liber ad amicum des Bischofs Bonizos von Sutri beschäftigt sich mit
den Mailänder Vorgängen: Edition: Bonizonis über ad amicum. Eine englische Übersetzung
fertigte Robinson, Reform 2004 an, Auszüge des sechsten und siebten Buches auf Italienisch bei
Golinelli, Pataria 1984, S. 117-127. Zu Bonizo selbst vgl. Berschin, Bonizo 1972. - Als exzeptionell
ist der Brief Petrus Damianis einzuschätzen, der als päpstlicher Legat und Augenzeuge 1059/
1060 über die Ereignisse vor Ort berichtete: Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 65, S. 228-247; in
italienischer Übersetzung bei Golinelli, Pataria 1984, S. 167-178. Auch Damianis Briefe Nr. 84,
101,129 (in: Petrus Damiani, Briefe 2 + 3) beziehen sich auf die Pataria. - Als Gegner der Reform
berichten Arnulf von Mailand in seinen Bischofsgesta und Landulf senior, dessen Bericht zwar
stark emotional beeinflusst ist, dafür aber sonst nicht überlieferte Gesichtspunkte enthält: Arnulf
von Mailand, Liber gestorum III, S. 167-205; italienische Übersetzung von Auszügen des 1072-
 
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