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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0035
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34

I. Einleitung

ermöglicht die abstrakte Konzeption eine allgemeine Vergleichbarkeit, da
sämtliche Akteure nach dem gleichen Maßstab gemessen werden und so in den
Quellen nicht belegte Handlungspotentiale erkannt oder etablierte Ansichten
unvoreingenommen betrachtet werden können.103 Damit erzeugt sie ein breite-
res und tieferes Bild der Vorgänge. Gleichwohl bedarf es der Einsicht, „dass es
sich bei Gesamtnetzwerken kaum je um tatsächliche Gesamtnetzwerke handelt,
sondern stets nur um praktikable Ausschnitte davon".104 Mit ihrem Fokus auf
den Bereich zwischen individuellem und institutionellem Handeln vermag die
NWA sechstens die Diskussion um das Verhältnis von individueller und insti-
tutioneller Kommunikation um eine Instanz zu erweitern.
Um diese Nachteile des quantifizierenden Ansatzes soweit wie möglich
auszugleichen, fokussiert der jüngere Ansatz einer qualitativen NWA ergänzend
die Inhalte, Funktionsweisen und sozialen Rollen der Netzwerke.105
Schließlich ist zu beachten, dass der Untersuchungsgegenstand ,Kirchenre-
form' auf Glauben basiert, dessen Dogma dazu führt, dass „das Handeln nicht
vollständig durch Relationen von Handelnden erklärt werden kann, vielmehr
auch durch normative Werte angestoßen wird."106
Aufgrund dessen ergibt sich methodisch folgendes Vorgehen: „Unterstützt
durch eine Quellenkritik werden die komplexen Beziehungsstrukturen eines
sozialen Netzwerkes in standardisierter Form erhoben, mit Hilfe geeigneter
Software analysiert und deren Ergebnisse schließlich zusammen mit den Be-
funden der traditionellen Quellenauswertung interpretiert."107 Visualisierungen
mittels gewichteter und gerichteter Graphen unterstützen dabei die textliche
Darstellung.108
Welche Daten liegen der NWA dieser Studie zugrunde? Bei den untersuchten
Beziehungen handelt es sich um den Austausch über die in Abschnitt II.2 vor-
gestellten Reformthemen zwischen mindestens zwei Personen. Anderweitige
Beziehungen wie Verwandtschaft fanden keine Berücksichtigung. Der Zeitpunkt
des Austauschs wurde jahresgenau verzeichnet und einem von neun Intervallen
zugeordnet, von denen jeweils das erste und das letzte die Zeit vor dem Un-
tersuchungszeitraum sowie nach diesem umfasst - also vor 1030 und nach 1064
-, während die sieben dazwischenliegenden in Fünfjahresintervalle gegliedert
sind. So lässt sich nicht nur die Entwicklung des Reformdiskurses im Verlauf von
über 30 Jahren verfolgen, sondern auch dem häufig auftretenden Problem un-

103 Vgl. Düring - Keyserlingk, Netzwerkanalyse 2014.
104 Friemel - Knecht, Grenzen 2009, S. 19f.
105 Vgl. den Sammelband Hollstein - Straus, Netzwerkanalyse 2006 und dazu die Rezension Diaz-
Bone, Netzwerkanalyse 2007.
106 H.-J. Schmidt, Einleitung 2008, S. 31.
107 Düring - Keyserlingk, Netzwerkanalyse 2014.
108 Zu Visualisierungen vgl. Schönhuth u. a., Netzwerkforschung 2013; Pfeffer, Visualisierung 2010;
Krempel, Visualisierung 2005. Ein gerichteter Graph unterscheidet eingehende und ausgehende
Kontakte. Ein gewichteter Graph lässt die Darstellung mehrfacher Kontakte zwischen zwei
Personen zu. Die Graphen finden sich auf beiliegender CD-Rom, um die Lesbarkeit des Textes zu
erhöhen und die Graphiken ausreichend groß darstellen zu können.
 
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