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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0049
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48

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

Ab dem späten 10. Jahrhundert breitete sich die Gottesfriedensbewegung im
Süden Frankreichs aus, erfasste in einer zweiten Welle ab den 1020er Jahren
zunächst Burgund, von dort aus Nordfrankreich, die Lombardei und Spanien.172
Ein Beispiel ist der vielzitierte Aufruf einiger südfranzösischer Bischöfe und Abt
Odilos von Cluny173 an den italienischen Klerus, sich um 1040 der Gottesfrie-
densbewegung anzuschließen.174 Dies könnte in zwei Fällen auf fruchtbaren
Boden gefallen sein: Nahezu identische Bestimmungen weist eine lombardische,
ähnliche mindestens eine weitere Mailänder treugci auf, wie Tab. 2 zeigt.175 Auch
in Arnulfs von Mailand Gesta erscheint zwar das Wort „treguci“ (sic!), doch der
Kontext sowie die Parallelstelle bei Landulf zeigen, dass es sich um einen Frie-
denschluss nach dem Mailänder Bürgerkrieg 1042/44 zum Schutz des Volkes
und Stabilisierung des Friedens handelt, wobei kein einschränkender Wir-
kungszeitraum genannt wird.176 Es liegt demnach kein Grund vor, Heinrich III.
die Initiierung einer treugci zuzuschreiben.
Erzbischof Raimbald von Arles bestimmte wohl am 4. September 1042 auf
einer Kirchenversammlung in St-Gilles, der auch Erzbischof Leodegar von Vi-
enne beiwohnte, dass Rittern für fast zwei Monate das Waffentragen untersagt
sei und legte die Unverletzbarkeit der Kirchen fest.177 Dank einer starken otto-

172 Zur generellen Ausbreitung vgL H. Hoffmann, Gottesfriede 1964, speziell zu Spanien Vones,
Geschichte 1993, S. 59 sowie Cowdrey, Peace 1970, S. 62f. Zur Lombardei, wo zwischen 1040 und
1050 - vielleicht infolge des in Anm. 1362 genannten Aufrufes - eine treuga Dei in Ivrea be-
schlossen wurde vgl. MGH Const. 1, Nr. 420, S. 598. Zu Besangen in Burgund etwa 1041 ebd., Nr.
421, S. 599, vielleicht in Anwesenheit Papst Benedikts IX.
173 Wenngleich Abt Odilo einerseits als Teilnehmer an zwei Synoden (994 und 1025) nachweisbar
ist, auf denen Gottesfrieden beschlossen wurden, sowie andererseits einer der Absender des
genannten Schreibens war, riet Goetz, Kirchenschutz 1983, S. 229f. dazu, die „vielberufene
Bindung zwischen Cluny und den Gottesfrieden (...) nicht über[zu]bewerten, zumal die Be-
wegung nicht in Burgund, sondern in Aquitanien entstanden" sei. Zudem sei sie kein Werk von
Mönchen gewesen, sondern in erster Linie eines des Episkopats im Bündnis mit lokalen welt-
lichen Großen (S. 231). Fortounier - Pericard, Odilon 2002, S. 128f. hielten eine Einberufung
durch Odilo wieder für möglich.
174 MGH Const. 1, Nr. 419, S. 596f.; MGH Conc. 8, S. 181-183; zur Interpretation zuletzt MGH Conc.
8, S. 174; Wilsdorf, Leon IX 2006, S. 568f.
175 Eine Mailänder treuga erwähnt Landulfi historia Mediolanensis II30, S. 67 auf göttlichen Impuls
hin von Donnerstagmorgen bis Montagmorgen. Die in den MGH Const. 1, Nr. 420, S. 598
verzeichnete treuga Dei lombardica ist jedoch nicht das Gegenstück zu Landulfs Beschreibung, da
die einzuhaltenden Friedenszeiten in ihrem Beginn abweichen. Dagegen scheint die lombardi-
sche treuga eine direkte Folge des gallischen Sendschreibens zu sein. Anders interpretierten
Dartmann, Interaktion 2012, S. 37, der die lombardische Treuga und Landulf zusammenzog;
Fortounier - Pericard, Odilon 2002, S. 130 zogen wie schon Hoffmann, Gottesfriede 1964, S. 85f.
Landulf und Arnulf zusammen. Über die Einwirkung einer generellen Friedensbewegung auf
Italien in den 40er Jahren des 11. Jahrhunderts vgl. Keller, Übergang 1982, S. 66, 71 f. (Literatur).
176 Arnulf von Mailand, Liber gestorum II19, S. 165: „Cumque triennio partes sic bacharentur, utreque
vissitudine quadam, quid contra se invicem possent, frequenter experte, veniunt ab augsto legati treguam
inviolabilem indicentes, quam totius regni virtute et conscilio iureiurando confirmant.“ Die Heraus-
geberin Claudia Zey verwies auf die entsprechende Stelle in Landulfi historia Mediolanensis II
26, S. 65.
177 S. unten Anm. 1901.
 
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