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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0051
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50

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

den eine enge Zusammenarbeit von Adel und Kirche, wodurch beide Gruppen
eine Bestätigung und Stärkung ihrer Herrschaft erreichten, wie es an den Bei-
spielen Graf Balduins V. von Flandern oder Herzog Wilhelms V. von Aquitanien
deutlich wird.185
Allerdings darf die Wirksamkeit der Gottesfrieden nicht zu hoch einge-
schätzt werden, zeigen doch einerseits der Abschluss immer neuer Frieden, dass
sie keine langfristige Aufrechterhaltung der Ordnung bewirkten, und waren
andererseits Heerzüge sowie einige ranghohe Personen vom Geltungsbereich
ausgenommen.186 Zu diesen Personen zählten auch die französischen Könige, für
die sich zwar Kontakte zur Bewegung feststellen lassen,187 dennoch sei ein re-
gelrechtes „Versagen [der Gottesfrieden] im kapetingischen Einflußbereich in
den 30er und 40er Jahren und in Narbonne in den 50er und 60er Jahren des 11.
Jahrhunderts nicht zu leugnen/'188 Dass sie die Friedensmaßnahmen Heinrichs
III. „im Sinne einer Steigerung zu einem umfassenden ,Friedensprogramm'"
beeinflusst hätten, findet heute keine Bestätigung mehr.189
Ein Blick auf die päpstliche Beteiligung macht deutlich, dass das Reform-
papsttum nach 1046 nicht in allen Bereichen eine Führungsposition übernahm:
Nach einem Schreiben Papst Clemens' II. für Abt Odilo von Cluny190 setzte sich
erst wieder der gebürtige Elsässer Leo IX. in Lothringen191 und vielleicht auch im
nahegelegen Besannen192 für die Gottesfrieden ein, während eine weitere Ver-
abschiedung auf dem Reimser Konzil 1049 in ihrem Umfang nicht zweifelsfrei
ist193. Weitere affirmative Beschlüsse sind sonst nur von Nikolaus II. überliefert,

breiterer Bevölkerungsschichten: Landes, Relics 1995, S. 52f., 315; zuerst zu diesem Thema
MacKinney, People 1930, S. 181-190.
185 Vgl. Goetz, Neuformierungen 2004, S. 44. - Zum Prestigegewinn als Intention Herzog Wilhelms
V. von Aquitanien (reg. 990-1029) durch die Friedensförderung vgl. Cowdrey, Peace 1970, S. 59.
Zu Balduin V. s. unten Abschnitt VI.1.3.
186 Vgl. Goetz, Kirchenschutz 1983, S. 228. Ausgenommen von der Einhaltung der Frieden waren
laut H. Hoffmann, Gottesfriede 1964, S. 245 zudem der Herzog der Normandie sowie der Graf
von Flandern. - Zur bedingten praktischen Wirksamkeit vgl. Goetz, Gottesfriedensbewegung
2002, S. 49; Cowdrey, Peace 1970, S. 53f.
187 Die Kontakte verzeichnete Kaiser, Selbsthilfe 1983, S. 64.
188 H. Hoffmann, Gottesfriede 1964, S. 245. Vgl. Kan. 2 der Provinzialsynode von Narbonne 1054 bei
Hefele - Leclercq, Histoire 1973, S. 1111-1113; Collectio 19, Sp. 827E: „iterum mandamus atque
confirmamus ipsam treugam Dei, quae a nobis dudum constituta fuerat, & nunc a pravis hominibus
disrupta esse videtur: atfirmiter deinceps ab omnibus teneatur.“
189 So noch Kaiser, Gottesfrieden 1989, Sp. 1988f. S. dazu unten S. 230.
190 S. unten Anm. 1606.
191 Vgl. zuletzt Wilsdorf, Leon IX 2006, S. 579f. mit einer französischen Übersetzung des Gottes-
friedens auf S. 585-587. Zurückhaltender zur Rolle der Päpste Kaiser, Gottesfrieden 1989, Sp.
1589f.
192 Leo hatte dort am 3. Oktober 1050 die Kathedrale St-Etienne geweiht und soll dabei verfügt
haben, dass der Weihetag und dessen Vigil künftig in die treuga Dei einbezogen werde, womit
diese als bestehend vorausgesetzt wurde. Allerdings verlautet in JL 4249, das die übrigen
überlieferten Privilegien für Besangen enthält, nichts über eine treuga. Vgl. Hoffmann, Gottes-
friede 1964, S. 81.
193 Vgl. Collectio 21, Sp. 460C-461C, Kan. 11-13; Blumenthal, Text 1976, S. 43-46; H. Hoffmann,
Gottesfriede 1964, S. 218. Die jüngste Interpretation von Jasper in den MGH Conc. 8, S. 225
 
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