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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0058
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II.2 Themen und Hintergründe

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ments235 und zur Klärung mehrerer Verdachtsfälle: Die Bandbreite des Pro-
zessverlaufes reichte von Flucht und anschließender Exkommunikation über
Verteidigung, Überführung und Deposition bis hin zu einer erfolgreichen Ver-
teidigung, bei der der Angeklagte sein Amt entweder behielt oder erneut pro-
moviert wurde.236
Obwohl Leo solche Reordinationen teilweise zugeschrieben wurden,237 be-
durfte ihre Gültigkeit erst noch der Klärung: Auch außerhalb der Konzilien238
bildete dies in der Folgezeit den Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen. Petrus
Damiani beispielsweise vertrat in seinem so genannten Liber gratissimus aus dem
Jahre 1052 die milde Ansicht, dass von Simonisten gratis erteilte Weihen ihre
Gültigkeit behielten - nicht zuletzt, „um nicht noch größere Unsicherheit in der
Kirche aufkommen zu lassen."239 Dagegen plädierte Kardinalbischof Humbert
von Silva Candida in seinen 1058 abgeschlossenen Libri tres adversus simoniacos
rigoros dafür, sämtliche von Simonisten gespendete Weihen als ungültig zu er-
achten.240 Auf der römischen Ostersynode des Jahres 1060 schließlich entschie-
den die Synodalen zwar im Sinne Damianis, dennoch blieb auch hier wiederum
die theologische Frage nach der Gültigkeit simonistischer Weihen offen, da es
sich ausdrücklich um eine situationsbedingte Entscheidung handelte.241

235 Nach Huyghebaert, Saint-Leon 1947, S. 425-432 und in der Folge Erkens, Vorabend 1989, S. 1501.
waren es diese Versammlungen, welche Bischof Theoderich von Verdun (s. unten Abschnitt
VI.2.2.31) zur Verwendung antisimonistischer Klauseln in vier seiner Urkunden inspirierten.
236 Auf der Reimser Synode entzog sich Bischof Hugo von Langres den Simonievorwürfen durch
Flucht und wurde daraufhin exkommuniziert. S. dazu unten Abschnitt VI.2.2.15. Bischof
Pudicus von Nantes wurde abgesetzt, weil er das Hirtenamt von seinem Vater bei dessen Tod
übernommen hatte; er durfte allerdings Priester bleiben. (Leo IX. setzte daraufhin, wohl gegen
kanonisches Recht, den Abt Airard von S. Paolo fuori le mura ein. Bis heute sei unklar, ob der
Klerus von Nantes und der Abt von Marmoutier diesen Kandidaten und die Vorgehensweise
Leos guthießen, so Ziezulewicz, Deplacements 2006, S. 463. Zu Airard s. unten Abschnitt
VI.2.2.4. Bischof Gottfried von Coutances überzeugte die Synodalen mittels Eid, dass sein Bruder
zwar das Bistum für ihn erworben, er davon jedoch nichts gewusst hätte; er behielt sein Amt.
Auch Bischof Hugo von Nevers habe zwar nichts von den Zahlungen seiner Eltern für seinen
Episkopat gewusst, stellte sein Amt aber dennoch freiwillig zur Verfügung; da er selbst sich
keines Vergehens schuldig gemacht hätte, investierte Leo ihn erneut mit Nevers. Zu diesen
Vorgängen in Reims vgl. Gresser, Synoden 2006, S. 20; Hefele - Leclercq, Histoire 1973, S. 1023.
237 Nach Michel, Reordinationen 1938, S. 41f. und Kempf, Kirche 1966, S. 408 habe Leo Reordina-
tionen durchgeführt. Humbert von Silva Candida hingegen bestreitet dies (MGH Conc. 8, S.
273). Petrus Damiani erwähnt sie zwar nicht in seinem Liber gratissimus von 1052/1061 (s. fol-
gende Anm.), dafür aber im Bericht über die Mailänder Legation von 1059 (Petrus Damiani,
Briefe 2, S. 237, Z. 3-5).
238 Wir wissen lediglich von der römischen Ostersynode 1051, dass sie sich mit diesem Aspekt -
offensichtlich nicht sehr erfolgreich - auseinandersetzte. Vgl. dazu Petrus Damiani, Briefe 1, Nr.
40, S. 390, Z. 3 - S. 391, Z. 4; S. 393, Z. 3-6 und MGH Conc. 8, S. 304. - Die generelle Quellensi-
tuation für die übrigen Kirchen Versammlungen ist teilweise mehr als dürftig. S. unten Anm. 757.
239 Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 87.
240 Vgl. R. Schieffer, Entstehung 1976, S. 42f.
241 Die in den MGH Const. 1, Nr. 386, S. 549-551 auf 1060 datierten Dekrete seien laut Kempf, Kirche
1966, S. 418, Anm. 9 wohl zwei Synoden zuzuweisen: Kan. 1-3 zu 1061, Kan. 5 zu 1060. Gresser,
Synoden 2006, S. 52f. nahm diese Diskussion nicht auf, vermutete aber in Anm. 77, dass die
 
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