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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0059
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58

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

Eine flächendeckende Abschaffung simonistischer Praktiken scheiterte trotz
vielfach geäußerter Kritik und Verbote - auch seitens adliger Eigenkirchenher-
ren* * 242 - aber nicht allein an der finanziellen Komponente243 oder definitorischen
Mängeln, sondern ebenso an der unzureichenden Umsetzung bereits beste-
hender Verbote, wie sich im Fall des Bischofs von Como zeigt. Als persönlicher
Bekannter Humberts und Petrus Damianis wird Rainald von Como einerseits zu
den Freunden der Reform gezählt, andererseits wurde er beschuldigt, für das
Chrisma eine jährlich zu entrichtende Summe Geldes verlangt zu haben.244 Zu-
mindest den Ravennater Suffraganen war dies bereits 998 ausdrücklich verboten
worden. Obwohl Alexander dieses Verhalten auf der Synode von Mantua 1064
gerügt hatte, beließ er es dennoch - vielleicht als Dank für frühzeitige Unter-
stützung im Cadalus-Schisma - bei einer weiteren, nun brieflichen Verwarnung.
Selbst im Umfeld der Reformfreunde wurden die Kanones also teilweise igno-
riert und deren Missachtung aufgrund machtpolitischer Implikationen nicht
immer geahndet. Ebenso problematisch verhielt es sich mit guten Absichten als
Motivationsgrund: Von Bischof Tedald von Arezzo wird beispielsweise das
Bonmot überliefert, er würde gerne 1000 Pfund für die Erlangung des Stuhles
Petri ausgeben, um endlich die Simonisten zu vertreiben.245 Ähnlich verteidigte
Johannes Gratianus die Geldleistungen im Umfeld seiner Erhebung 1045 zum
summus pontifex, nur zielte diese gegen den Einfluss des römischen Adels.246
Insofern darf es nicht verwundern, wenn simonistische Handlungen sich in
den 1060er Jahren unbekümmert zu vermehren schienen: Sei es aus finanziellen
Zwängen oder Geldgier, Unwissenheit, Gewohnheit, ja sogar aufgrund von
Langmut oder guten Absichten.247 Im Zuge dieser Entwicklung sollten laut Pe-

„Beschlüsse von 1059 und 1060 nunmehr für das französische Publikum wiederholt werden
sollten"; Miccoli, Problema 1956.
242 Insbesondere in Italien finden sich früh und unabhängig von cluniazensischem oder lothringi-
schem Gedankengut antisimonistische Ideen. So enthält die im Jahre 1001 ausgestellte Grün-
dungsurkunde der Abbazia all'Isola in der Diözese Volterra bereits antisimonistische Bestim-
mungen, die wohl auf die Stifterin Gräfin Ava zurückgehen. Papst Leo IX. bestätigte diese
Bestimmungen ebenso wie Nikolaus II. und Alexander II. S. dazu unten S. 159. Zur Singularität
antisimonistischer Klauseln in vallombrosanischen Urkunden vgL W. Goez, Ausprägungen
1982, S. 245.
243 So legte Andrea di Strumi dem Mailänder Erzbischof Wido die Frage in den Mrmd, wovon die
Kleriker denn bitte leben sollten, wenn nicht vom Kauf und Verkauf kirchlicher Benefizien:
Andrea di Strumi, Vita s. Arialdi 10, S. 1057, Z. 2-6.
244 S. unten Abschnitt VI.2.2.26.
245 Donizonis vita Mathildis 1, S. 362, V. 491-493.
246 Bonizonis über ad amicum 5, S. 585, Z. 27-32.
247 Die Beträge scheinen um die Mitte des Jahrhunderts sogar noch gestiegen zu sein, bemerkte
Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 91 (vgl. auch S. 84f.). Papst Nikolaus II. konstatierte auf dem
römischen Konzil 1059, die Seuche der Simonie habe sich derart eingefressen, dass kaum eine
von ihr unbefleckte Kirche zu finden sei (MGH Conc. 8, S. 382f.). - Beispiele für weitere Ver-
fahren: Vermutlich innerstädtische Gegner verklagten Erzbischof Wido von Mailand wegen
Simonie auf der römischen Synode 1050. Vgl. MGH Conc. 8, S. 272,279, Nr. 11. Der im Vorjahr in
Reims entstandene Simonieverdacht gegen den dortigen Ordinarius scheint durch dessen Ge-
sandten, den Diakon Hugo, endgültig aus der Welt geschafft worden zu sein, so Jasper in MGH
Conc. 8, S. 272, Anm. 8. - Enthebungen ohne Namensangaben berichtet Bonizonis über ad
 
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