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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0121
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120

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

Bedeutung. So erhielt Wilhelm von Volpiano, indirekt cluniazensisch geprägt,
mehrere zentrale Klöster wie Gorze und St-Evre in Toul zur Reform übertragen,
weil sich die verantwortlichen Bischöfe eine Stärkung ihres Einflusses in diesen
Klöstern versprachen.647
Als der Reformerfolg St. Maximins und Gorzes in der ersten Hälfte des 11.
Jahrhunderts erlahmte,648 waren es die einst erneuerten Konvente im Reich,
insbesondere in Bayern, die nunmehr Impulse setzten: darunter Einsiedeln, St.
Emmeram, Tegernsee sowie die Godehard-Reform in Niederaltaich.649
Zeitgleich mit der forschungsgeschichtlichen Emanzipation lothringischer
Reformideen von denen Clunys steigerte sich aufgrund der lothringischen
Herkunft führender Reform Verfechter die Überzeugung, dass die „gesamt-
kirchliche Erneuerung also gewissermaßen eine lothringische Erfindung sei"650.
In dieser Sicht vermuteten Sackur, Fliehe, Haller und Michel die Existenz einer
Lütticher Rechtsschule als geistige Heimat der Kirchenreform, und damit einen
dort existenten Kreis von Personen, die Heinrichs III. Herrschafts vor Stellung
opponierend gegenüber gestanden hätten.651 Inzwischen gilt diese These von der
Existenz besonderer lothringischer Rechtsschulen als überholt.652 Stattdessen
wird eine generelle geistige Blüte aufgrund besonderer soziopolitischer Faktoren
angenommen: Diese hätten sich, so Boshof, einerseits aus der kulturgeographi-
schen Lage im Schnittpunkt zweier Kulturen und andererseits aus der Zusam-
menarbeit mit weltlichen Herrschaftsträgem, dem dadurch bedingten Schutz
sowie der materiellen Absicherung ergeben.653 Aus diesem Zusammenwirken
von Königtum und Reichskirche654 entstanden keine Abhängigkeiten, sondern
eher eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl, „das Bewußtsein nämlich, Teil des
erneuerten Mönchtums zu sein."655

einem Niederschlag chmiazensischer Ideen in der Gorzer Überlieferung. Gorze bewahrte au-
ßerhalb der chmiazensischen Mönchsgemeinschaft seinen Charakter als herrschaftsgebimdenes
Bischofskloster (ebd., S. 80f.)
647 So Boshof, Ottonenzeit 1983, S. 94.
648 Die Geschichte der Gorzer Reform kennt auch Misserfolge: Immo scheiterte auf der Reichenau,
Werner in Lorsch. Die Dunkelziffer dürfte wegen der Quellenarmut wohl noch höher liegen, so
Hochholzer, Reform 1999, S. 69.
649 Sonntag, Klosterleben 2008, S. 24L; vgL Hochholzer, Reform 1999, S. 67-70. - Gorze strahlte erst
wieder ab 1047 durch die Aussendung Ekkeberts nach Münsterschwarzach auf das Reich aus.
Vgl. Hochholzer, Münsterschwarzach 1998, S. 37-49.
650 Laudage, Priesterbild 1984, S. 306. Vgl. Hoesch, Quellen 1970, S. 176-194 und ursprünglich
Fliehe, Reforme 1924, S. 127, der argumentierte, die gregorianische Reform sei in Lothringen
geboren, denn allein dort hätte man verstanden, dass die Kirchenreform nur unabhängig von
weltlicher Macht umsetzbar gewesen wäre.
651 Michel, Humbert 1953; Haller, Pseudoisidor 1947; Michel, Sentenzen 1943; ders., Papstwahl
1936; Fliehe, Reforme 1924, S. 113-308.
652 Fuhrmann, Reformpapsttum 1973, S. 189 nannte sie „hochaufgetürmte Hypothesen". Vgl. auch
ders., Einfluß 1 1972, S. 52f. und ders., Einfluß 2 1973, S. 463-466. Die Bedeutung stark herunter
spielten Th. Schieffer, Reformbewegungen 1976, S. 1061 sowie Hoesch, Quellen 1970, S. 176-194.
653 Boshof, Salier 2000, S. 152.
654 Zum Begriff vgl. Huschner, Reichskirche 2006 und Fleckenstein, Problematik 1985.
655 Hochholzer, Reform 1999, S. 76.
 
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