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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0120
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II.3 Personen und Gruppen

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Reformkreis zusammenschließen/'640 Allerdings blieben Poppos Reformen auf
das Gebiet zwischen Maas und Rhein begrenzt und sein mehrfaches Eingreifen
wie auch der häufige Abtwechsel in seinen Häusern ließen Hochholzer von
punktuellem bzw. nur oberflächlichem Erfolg sprechen.641
Doch auch innerhalb Lothringens müsse eine Zusammenfassung zu einem
einzigen lothringischen Reformkreis unter Führung Gorzes negiert werden,
denn sowohl von der Abtei St-Evre in Toul als auch von St. Maximin in Trier seien
im 10. Jahrhundert unabhängige Reformimpulse vor allem in Richtung Reichs-
mönchtum ausgegangen.642 Die Praxis, auch weit entfernte Konvente zu über-
nehmen, basierte nach Wagner auf einem „reseau de relations et d'amities", von
dem nur lückenhafte Zeugnisse erhalten geblieben seien.643
Alle drei Reformzentren kennzeichnete indes - abgesehen vom Bemühen,
die Benediktsregel wieder möglichst wortgetreu zu befolgen - das Zusammen-
wirken von Mönchen, Bischöfen und Adligen sowie die Unterstützung durch
das Königtum.644 Diese Konstellation ermöglichte individuelle Entscheidungen,
so dass die betroffenen Klöster sich ohne Schwierigkeiten ihrem jeweiligen so-
zialen, politischen und gesellschaftlichen Umfeld anpassen konnten.645 Loth-
ringische Abte verhalfen zu dieser Form der Freiheit, indem sie sich auf Anfrage
ohne Erwartung rechtlichen oder materiellen Vorteils in den Dienst des jeweili-
gen Eigenklosterherrn, war er nun geistlicher oder weltlicher Provenienz, stell-
ten.646 Dennoch behielten politische und wirtschaftliche Motive stets eine hohe

640 Schäfer, Studien 1991, S. 117. Hätten die Klöster noch unter Poppo „alle mehr oder weniger
gleichberechtigt nebeneinander" (S. 139) bestanden, wäre ihr Zusammenhalt nach dessen Tod
nurmehr gering gewesen, „da der gemeinsame Nenner, den die Persönlichkeit Poppos gebildet
hatte, mm fehlte." (S. 142). Letzte Sicherheit darüber, ob Poppo überhaupt die Gründung einer
Reformgruppe angestrebt habe, könne nach Schäfer, S. 136 nicht erlangt werden. - Kempf,
Kirche 1966, S. 370 sprach bezüglich Poppos Reformansatz von einer „lothringisch-chmiazen-
sischen Mischobservanz".
641 Hochholzer, Reform 1999, S. 79.
642 VgL ebd., S. 45; Laudage, Priesterbild 1984, S. 125-130 mit umfangreicher Literatur S. 127, Anm.
16; Boshof, Lothringen 1978.
643 Wagner, Gorze 1997, S. 271.
644 Parisse, Abbaye 1993, S. 83f. - Die Literatur zu Einzelaspekten schien Hochholzer, Reform 1999,
S. 44 mit Anm. 5 bereits 2001 zwar kaum mehr überschaubar, dennoch sei „die von Lothringen
ausgehende Reformbewegung nur unter bestimmten Aspekten und niemals als Ganze unter-
sucht worden". Beispielsweise könne der lothringische Einfluss am Beginn des 11. Jahrhunderts
auf Münsterschwarzach als Eigenkloster der Würzburger Bischöfe aus den Quellen kaum eruiert
werden, so Hochholzer, Münsterschwarzach 1998, S. 29. Mit dem Beginn des Engagements
Bischof Adalberos 1045 begegne zwar erstmals das Wort reformatio in den Quellen, doch handele
es sich nach Hochholzer, S. 37f. vor allem um finanzielle und materielle Hilfen des Bischofs,
während das Loblied auf Adalbero „wohl nur am Rande etwas mit einer Wiederherstellung des
regeltreuen Lebens zu hm" gehabt habe. Dennoch bleibt es Adalberos Verdienst, 1047 Abt
Ekkebert aus Gorze und weitere Mönche nach Münsterschwarzach geholt und damit die
Grundlage für dessen späteren Einfluss gelegt zu haben (ebd., S. 50f.). Dazu und generell zu
Adalbero s. unten Abschnitt VI.2.2.1.
645 Wisplinghoff, Untersuchungen 1970, S. 45.
646 VgL Hochholzer, Reform 1999, S. 54. - Auch die Berufung des chmiazensisch geprägten Wil-
helms von Dijon als Abt von Gorze 1015-1031 durch Bischof Dietrich II. von Metz führte kaum zu
 
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