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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0188
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III.2 Personelle Aspekte

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im Vergleich dazu damals riesigen Zahl an Bischöfen, Religiösen sowie Kleriker
vermochte sich einerseits die Reform zunächst nur langsam inhaltlich durch-
zusetzen, und andererseits zog sich eine gezielte Etablierung reformfreundlicher
Kräfte wesentlich länger hin. Bei all dem ist zudem die Quellenlage in Rechnung
zu stellen, die umso günstiger ist, je einflussreicher eine Person war.
Rein quantitativ gesehen überragte das bischöfliche und religiöse Engage-
ment zwar die Führungsspitzen der Kirche, doch verfügten diese dafür über
größere Einflussmöglichkeiten.
Der Anteil von Laien an kirchenreformerischer Kommunikation lässt sich
nur grob schätzen. Es lassen sich mindestens 95 Einzelpersonen, 15 Gruppen
sowie 87 in ihrer Stellung nicht eindeutig zu bestimmende Personen fassen. So
ergibt sich eine Spanne von mindestens 125 bis 212 beteiligten Laien. Bis auf
wenige Ausnahmen handelt es sich dabei um Adlige. Ihr Aktivitätsgrad lag bei
knapp 13%, also signifikant höher als bei Bischöfen, Religiösen oder Klerikern.
Weniger als 1% der Geistlichen waren Frauen, die sich ausnahmslos als Re-
ligiöse für die Reform engagierten. Unter den mindestens 15% Laien1059 liegt der
Frauenanteil zwar bei rund einem Viertel, doch handelt es sich dabei fast aus-
nahmslos um Personen, die aufgrund ihrer ehelichen Verwandtschaftsverhält-
nisse in die Kritik gerieten. Selbst Kaiserin Agnes und Markgräfin Beatrix von
Canossa und Tuszien blieb dieser Vorwurf nicht erspart. Davon abgesehen för-
derten sie aber auch Reformklöster sowie -stifte und unterhielten dazu Kontakte
zu Reformern. Dass die kirchenreformerische Bedeutung dieser Herrscherinnen
und Regentinnen somit wesentlich über bloße Repräsentanz hinausführte, be-
stätigt den Meinungswandel in der Forschung.1060
III.2.1 Individuelle Kommunikation
Der folgende Blick auf das Wirken einzelner Personen gibt einen exemplarischen
Eindruck von der individuellen Seite kirchenreformerischer Kommunikation.
Der Eremit Petrus Damiani und Kaiser Heinrich III. wurden ausgewählt, weil sie
aufgrund ihres Engagements, ihrer Ämter sowie der teilweise dadurch beding-
ten günstigen Überlieferungssituation gut dokumentiert sind und infolgedessen
den größtmöglichen Einblick zulassen. Gleichzeitig muss jedoch betont werden,
dass deren Handlungsspielräume nur dem kleinsten Teil der übrigen Reformer
zur Verfügung standen: Die individuelle Kommunikation weiterer Reformer
würde demzufolge ganz anders aussehen. Bei der abschließenden Interpretation
ist dieser Umstand zwingend zu berücksichtigen.

1059 Es gibt 15 Kommunikationspartner, die nur summarisch als laikale Personengruppe unbe-
kannten Umfangs gefasst werden können wie beispielsweise die Bevölkerung einzelner Städte
wie Mailand, Cahors, Gap oder Florenz oder auch einzelner Regionen wie „Volk und Große im
Elsass". Diese wurden als je zwei Laien angesetzt, die mindestens nötig sind, um eine Gruppe zu
bilden. Hinzukommen sechs Gruppen, denen sowohl Kleriker wie auch Laien zugehörten,
sowie schließlich 21 Gruppen, bei denen der jeweilige persönliche Stand unbekannt ist.
1060 VgL dazu Fößel, Imperatrix 2006.
 
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