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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0189
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188

III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

III.2.1.1 Petrus Damiani
III.2.1.1.1 Korrespondenz Petrus Damianis
Kaum eine andere Person des Untersuchungszeitraums ermöglicht durch die
Überlieferung ihres Werkes derart weitreichende Einblicke in das eigene Denken
und Handeln wie Petrus Damiani.1061 In nicht weniger als fünf Heiligenviten, 53
Predigten, ca. 240 Gedichten, Epigrammen und Gebeten vor allem aber in 180
Briefen äußerte sich der gelehrte Eremit, Kardinal und Kirchenlehrer schriftlich
und bezog dabei unter anderem zu kirchenreformerischen Themen Stellung.
Doch wie kam ein in den Wäldern Mittelitaliens wirkender Einsiedler zu einem
solchen Werk, das in über 600 Handschriften bis ins 15. Jahrhundert1062 hinein
intensive Verbreitung erfuhr? Die Antwort findet sich in seinen Briefen, mit
denen sich Reindel eingehend beschäftigt hat und von dessen Erkenntnissen die
folgenden Überlegungen ihren Ausgang nehmen.1063
Die damianischen Briefe sind generell undatiert, sodass inhaltliche Kriterien
wie Personennamen oder besondere Ereignisse zur Rekonstruktion des jeweili-
gen Abfassungszeitpunktes herangezogen wurden. Nur selten haben sich Hin-
weise auf den Abfassungsort enthalten. Zudem gingen mindestens acht Briefe im
Laufe der Zeit verloren.1064 So entstehen Interpretationsspielräume, die bei der
Analyse zu beachten sind.
Sämtliche 180 Briefe bilden nach Reindel eine „Kommunikation ohne Part-
ner, ohne Echo"1065, denn in der Überlieferung fehlen sowohl schriftliche An-
fragen an Damiani als auch Reaktionen auf seine Briefe. Der Eremit hat nur ein
einziges Antwortschreiben aufbewahrt - und es zur machtvollen Approbation
seiner Thesen als Vorwort funktionalisiert: Es handelt sich um ein Dekret in
Briefform, mit dem Papst Leo IX. Damianis berühmten Liber gomorrhianus wür-
digte.1066 Dieser Leo gewidmete Liber schildert homosexuelle Praktiken von
Klerikern als verwerflich und fordert hierfür schwere Kirchenstrafen. Leo ant-
wortete nach der Lektüre, das Werk und dessen Ansichten hätten ihm sehr ge-
fallen; er wiederholt die Verurteilung derartiger Handlungen und fügte Be-
stimmungen über die Bestrafung der Sündigen an. Der Text war somit von
höchster kirchlicher Stelle legitimiert. Dass diese Vorgehensweise allerdings kein
Erfolgsgarant war, musste Damiani einige Jahre später einsehen.1067

1061 Aufgrund der umfangreichen Literatur zu seiner Person wird an dieser Stelle auf einen Le-
benslauf verzichtet. Zur Einführung s. unten Abschnitt VI.2.2.22.
1062 Zur Rezeption vgl. Freund, Studien 1995.
1063 Er verfasste sowohl die maßgebliche kritische Edition (Petrus Damiani, Briefe 1-4) als auch
kleinere Untersuchungen zur Überlieferungssituation (Reindel, Studien 1 + 2; Reindel, Briefe
1996) und den Adressaten (ders., Petrus 1975). Vgl. Freund, Briefe 2007. - Allgemeine Literatur
zu Briefen im Mittelalter unten Anm. 1405f.
1064 Den Nachweis führte Reindel, Briefe 1996 und rechnete, rein statistisch gesehen, mit insgesamt
etwa 25 verlorenen Briefen.
1065 Reindel, Petrus 1975, S. 205.
1066 Petrus Damiani, Briefe 1, Nr. 31, S. 285f.
1067 Vergeblich erhoffte D amiani 1052 ebensolchen Beistand bezüglich des Nikolaitismus vom jüngst
erhobenen Erzbischof Heinrich von Ravenna - 1061 bekannte er schließlich, sich in dem ihm
 
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