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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0199
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198

III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

Einflussnahme jenseits der Entfremdung kirchlichen Besitzes, gerade auch im
Zusammenhang mit der Papstwahl und der libertas ecclesiae, thematisierte
Damiani erst ab Ende der 1050er Jahre regelmäßig. Erst dann wurde auch die
Fixierung der neuen Ansichten in Form von Kanonessammlungen für ihn so
relevant, dass er darüber schrieb. Dass die patarenischen Bewegungen trotz
Legation und längerfristigen Problemen nur 1059 thematisiert wurden, kann auf
zweierlei hindeuten: Entweder handelte es sich für Damiani um eine einmalige
Aktion, die er mit seinem Legationsbericht für abgeschlossen hielt, oder es liegt
eine Überlieferungslücke zugrunde. Die Maxima in 1059 und 1063 lassen sich auf
Lateransynoden zurückführen, während 1045 aktiv lokale Einzelprobleme dis-
kutiert wurden. Dies deckt sich mit der generellen Beobachtung, dass aus dem
frühen lokal bezogenen Engagement ein überregional relevanter Diskurs ent-
stand. Demgegenüber offenbart sich für die Zeit zwischen 1048 und 1054 ein
quantitativer Einbruch, der zum Großteil der Aufarbeitung historischen Da-
tenmaterials für elektronische Darstellungsverfahren geschuldet ist (mangel-
hafte Informationen zur Briefdatierung).1119
Auch wenn der Eremit weitaus häufiger auf Anlässe in seiner Umwelt rea-
gierte, lässt sich immerhin 18-mal kein anderer Beweggrund ausmachen als in-
trinsische Motivation (Abb. 10). Trotz seines immer wieder betonten Desinter-
esses an der Welt außerhalb seiner Zelle verlieh er seinen Gedanken also vielfach
Ausdruck, ohne durch äußere Zwänge dazu verpflichtet gewesen zu sein. In die
gleiche Richtung weist, dass über ein Viertel der Schreibanlässe keinerlei kir-
chenreformerischen Bezug erkennen lässt - wobei ein weiteres Drittel nicht zu-
geordnet werden kann und damit potentiell weitere reformrelevante Anlässe
zugrundegelegen haben könnten. Darüber hinaus wandte er sich mehrfach an
ihm unbekannte Personen. Damiani thematisierte die Kirchenreform demnach
nicht selten aus eigener Motivation heraus, trug sie in anderweitige Kontexte
hinein oder sprach ihm fremde Personen aktiv an. Damit ist sein kirchenrefor-
merisches Kommunikationsverhalten als vorrangig aktiv-initiierend zu be-
zeichnen.
Die äußeren Anlässe verteilen sich auf zehn Treffen, sieben Briefe, fünf
Amtsantritte sowie 15 sonstige Handlungen, die Einladungen, Geschenke, ge-
brochene Versprechen, Bitten um Nachricht und Hörensagen umfassen (Abb.
11). Direkte persönliche Kontakte auf Treffen führten also häufiger zum Ver-
fassen und Versenden eines Briefes als jeder sonstige Anlass für sich genommen,
während insgesamt und absolut gesehen indirekte Kontakte der häufigste
Auslöser eines Briefes waren. Im Gegenzug konnten persönliche Gespräche nach
Ansicht des Eremiten auch vorausgehende schriftliche Ratschläge fördern.1120
Abgesehen von Briefen und Treffen bilden Amtsantritte einen signifikanten
Anlass für das Abfassen von Briefen. Damiani verband mit diesen Neuanfängen
die Hoffnung auf eine positive Nutzung des jeweiligen Amtes für die Kirchen-

1119 S. oben Anm. 109.
1120 Ders., Briefe 3, Nr. 99, S. 100, Z. 10-12: „Preterea libenter ad vestrae sanctitatis alloquium, si occasio
daretur, attingerem, ut communicandum consilium, quod absentia prohibit, viva conserti sermonis verba
conferrent."
 
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