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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0263
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262

III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

durch die Singularität ihrer Verbindung lokal gebunden war, zeigen alle Bei-
spiele eine schrittweise Ausweitung von Ebene zu Ebene. AKs umfassten i.d.R.
einen Umkreis von mind. etwa 100 km (regionaler Wirkungskreis), ACs von
mehreren hundert Kilometern (überregionaler Wirkungskreis). Es gibt keine mir
bekannten Beispiele, in denen zwischen zwei Ebenen keine räumliche Auswei-
tung erfolgte.
Sechstens entwickelte jeder Reformer ein individuelles und flexibles Kom-
munikations- und damit Reformprofil, das sich immer wieder an individuellen
und soziopolitischen Gegebenheiten orientierte und ausrichten musste.
Siebtens war der kirchenreformerische Diskurs selbst nur Teil größerer
Kommunikationsstrukturen, wodurch eine wechselseitige Beeinflussung ent-
stand. Eine isolierte Betrachtung des Reformdiskurses griffe demnach für dessen
Verständnis wie auch für das Verständnis der mittelalterlichen Gesellschaft zu
kurz.
Wie verhalten sich nun das Modell und die Befunde zur Forschung? Nach-
dem letztere1374 lange von der Existenz einer einzigen Reformpartei ausgegangen
war, kristallisierte sich nach und nach ein Bewusstsein für das Vorhandensein
mehrerer Richtungen oder Lager heraus. Schmid schließlich prägte die Grup-
penbezeichnungen römisch orientierte, burgundisch-monastisch-cluniazensi-
sche, lothringisch-kanonistische, asketisch-italische und episkopale Reformer als
,Reformkreise'. Wer und was sich dahinter verbirgt, arbeitete ich 2007 in meiner
Magisterarbeit1375 heraus: Auf Basis der Forschung sowie kleinerer Quellenstu-
dien konnte ich die ,Reformkreise' in asketisch-kanonikal-ravennatische, mo-
nastisch-lothringische, kanonikal-papal-burgundische sowie kurial-überregio-
nale AGs spezifizieren und habe deren Zustandekommen, Entwicklung und
personelle Zusammensetzung dargestellt. Der Ansatz für die AGs war der
gleiche wie in vorliegender Studie, doch lag eine andere, weniger strikte Defi-
nition zugrunde.1376
Die Dissertation ergänzt nun die Zahl der beteiligten Personen um ein
Vielfaches, da der Untersuchungszeitraum sowie die Quellenbasis ausgedehnt
und mehr Reformthemen betrachtet, dafür indes ausschließlich reformbasierte
Kontakte zur Grundlage gemacht wurden. Aufgrund dessen sind hier die er-
arbeiteten Kommunikationsnetzwerke weitaus komplexer, weshalb eine Ein-
teilung in die Schmidschen,Reformkreise' zwar weiterhin möglich ist, sie allein
die Verhältnisse aber bei Weitem nicht mehr adäquat beschreiben. Vielmehr
fassen sie einerseits noch kleinere Interaktionseinheiten zusammen oder bilden
andererseits selbst Subgruppen größerer Cluster. Mann könnte die Schmidschen
,Reformkreise' in einem zweidimensionalen Raum verorten, das hier vorge-
stellte Modell dagegen umfasst durch die verschiedenen Vernetzungsebenen

1374 Nachweise s. oben S. 16.
1375 Lorke, Aktionsgemeinschaften 2007, S. 72-99.
1376 Zu den Kontakten zählten damals beispielsweise auch Unterstützung bei Investituren, Tauf-
patenschaft, Ämtererhalt, familiäre Abstammung oder unspezifizierte Kontakte. Demzufolge
stellen sich im Folgenden personelle Änderungen ein.
 
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