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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0267
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266

III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

Darüber, dass räumliche Distanz eher die Regel als die Ausnahme bildete,
gab es zuweilen Bedauern, da nichts einem einfachen direkten Austausch
gleichzukommen vermochte. Auch Briefe schufen hier keine ausreichende Ab-
hilfe, da ihnen weniger Überzeugungskraft als einem Gespräch von Angesicht
zu Angesicht zugestanden wurde, sie nicht genug Platz böten und in ihnen nicht
alles Notwendige gesagt werden könne.1382 Aus den Augen, aus dem Sinn - so
empfand es wenigstens Petrus Damiani.1383 Auch mündliche Zusicherungen und
Versprechen wiesen bisweilen eine kurze Halbwertszeit auf - zumal, wenn sie in
(lebens)bedrohlichen Situationen gegeben wurden.1384 Dennoch bildete das Ge-
spräch die Idealform zwischenmenschlicher Interaktion, wurde Schriftliches
doch häufig selbst als Dialog gestaltet.1385
Nicht nur im Kontext solcher komplexen Vorgänge kam es zur Bildung von
Gerüchten, i. S. v. unzureichend abgesicherten Informationen. Wer reiste, brachte
Neuigkeiten mit, die wiederum an andere Personen weitergegeben wurden. Es
ist der Alltäglichkeit dieses Vorgangs geschuldet, dass zwar immer das Gerücht
erwähnt, nirgends aber der Überbringer erhellt wird.1386 Je mehr Personen die-
selben Informationen weitertrugen, umso abgesicherter erschienen diese. Wollte
man daher umgekehrt der Bedeutung des Gerüchtes Nachdruck verleihen, so
führte man tunlichst mehrere Personen als Zeugen an.1387 Dies bot zugleich den
nötigen Rückhalt für Kritik.1388 Gerüchte über geplante Itinerarstationen wurden
gezielt zur Verbreitung eigener Ideen genutzt.1389

1382 Ders., Briefe 3, Nr. 99: Damiani beteuert, durchaus gerne eine Reise auf sich zu nehmen, wenn er
dadurch die Möglichkeit erhielte, brieflichen Ratschlägen durch ein Zwei-Augen-Gespräch den
nötigen Nachdruck verleihen zu können. Beschwert sich, dass er persönlich in Rom zuvor-
kommend behandelt werde, aber in seiner Abwesenheit von Rom weder Post noch mündliche
Grüße erhalte. Ferner würde er mehr über schlechtes Bischofsverhalten schreiben, wenn nur die
Regeln der brieflichen Länge nicht wären. - Papst Alexander II. hielt es für besser, einige Dinge,
die Gervasius von Reims in einem Schreiben an ihn erwähnt hatte, nicht epistolar, sondern in
einem persönlichen Treffen zu diskutieren. Dazu würde er den Erzbischof gerne sehen. Alex-
andri II epistolae, Nr. 19 (1063); vgl. DEMOUY, Genese 2005, S. 408.
1383 Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 57: Der Eremit lässt Grüße an seinen guten Freund Stephan von
S. Grisogono ausrichten und bittet, dass dieser ihn nicht vergessen möge. - Ebd., Nr. 75, S. 375f.
an Hildebrand: Wenn ich nicht in Rom bin, schreibst Du mir weder, noch erwähnst Du mich;
wenn Du schreibst oder wir zusammen sind, verspottest Du mich.
1384 Ebd., Nr. 70: Der Kleriker Landulf hatte Damiani geschworen, Priester zu werden, dies jedoch
nicht eingelöst. - Der Reimser Erzbischof wollte statt einer öffentlichen Diskussion auf der
Reimser Synode lieber unter zwei Augen mit dem Papst über mögliche simonistische Vergehen
sprechen. Am nächsten Tag erhielt er zwar die Möglichkeit dazu, wollte aber auch dann keinen
Eid auf seine Unschuld schwören und wurde infolgedessen auf die römische Synode im Fol-
gejahr geladen (MGH Conc. 8, S. 234, Z. 11-14, u. S. 235, Z. 7 - S. 236, Z. 2).
1385 S. dazu oben Abschnitt III.2.1.1.1 und Petrus Damiani, Briefe 3, Nr. 89.
1386 Einige Beispiele mögen genügen: Petrus Damiani, Briefe 1, Nr. 39; ders., Briefe 2, Nr. 74; Siegfried
von Gorze, Brief an Bruno von Toul.
1387 Siegfried von Gorze, Brief an Poppo von Stablo.
1388 Epistola Joannis, Sp. 799A-800B; Petrus Damiani, Briefe 1, Nr. 26.
1389 Petrus Damiani, Briefe 1, Nr. 40, S. 508, Z. 1-3 an Heinrich von Ravenna: „Quodsi Uber hic venialiter
repraehensibilis invenitur, vestra eum prudentia corrigat et sic etiam beatissimo papae, si per vos tran-
sierit, utfama dispersit, ostendat - Vgl. Münsch, Gerüchte 2016.
 
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