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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0299
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298

IV Resümee

rogenität der Quellen allein zu kurz gegriffen hätte, wurde er hier um qualitative
Betrachtungen durch stete Rückkoppelung an die Quellen ergänzt. So konnte
gezeigt werden, dass und wie die noch seltene interdisziplinäre Methoden-
kombination bislang unbekannte Strukturen und Entwicklungen sichtbar macht
und das Wissen um Chancen und Grenzen solcher Ansätze zur Entwicklung
einer Methodik einer spezifisch historischen Netzwerkanalyse beiträgt.
Die Vorgehensweise gestaltete sich folgendermaßen: Erstens ergab die De-
finition der Begriffe Kommunikation, Reform und Reformer Charakteristika,
welche zweitens als Kriterien für die Analyse der umfangreichen Forschung
dienten. So ergaben sich nicht nur eine konkrete Zahl von Personen, die sich für
die Reform der Kirche engagierten, sondern auch erste Hinweise auf deren
Kommunikationsverhalten. Diese Informationen wurden drittens in einem
Personenkatalog zusammengestellt und durch Quellenstudien ergänzt. Auf-
bauend auf diesem Katalog wurden in einem vierten Schritt alle relevanten
Kontakte zusammengetragen. Die Sammlung dieser Kontakte erfolgte mittels
einer Datenbank, die erstmals die überlieferte und elektronisch darstellbare
Kommunikation bezüglich der Kirchenreform in der Mitte des 11. Jahrhunderts
enthält und als Basis für weitere Studien zur Verfügung steht. Als Fünftes er-
folgte die Anwendung der Netzwerksoftwares VennMaker 1.3.5 sowie NodeXL
für Microsoft® Excel® 2010. Dadurch entstanden Netzwerkgraphen, deren In-
terpretation in Kombination mit einer qualitativen Analyse der Quellen
schließlich sechstens beantwortete, auf welche Weise Reformer miteinander in
Kontakt traten und wie sich dies in räumlicher und zeitlicher Dimension ge-
staltete.
Als Annäherung an die Kommunikation während der Kirchenreform wur-
den zunächst der Reformbegriff sowie die Reformthemen festgelegt und erläu-
tert.
Zur Kirchenreform gehörten demnach weitaus mehr Themen als die aus der
Reinheit des Priesteramtes direkt zu folgernde Ablehnung von Simonie und
Nikolaitismus. Auch das geistliche Gemeinschaftsleben, die Gottesfriedensbe-
wegung, Verwandtenehe, Kanonessammlungen, der Einfluss von Laien sowie
die Entfremdung von Kirchengut gehören in diesen Kontext. Jedes Thema weist
gegenüber den anderen eigene Spezifika in zeitlicher, inhaltlicher und perso-
neller Dimension auf: Während Simonie und Nikolaitismus beispielsweise zu
den am häufigsten und breitesten diskutierten Themen gehörten, waren die
Gottesfriedensbewegungen weitaus stärker regional begrenzt, die Kanones-
sammlungen stärker personell limitiert. Die Themen selbst gestalteten sich nicht
durchweg homogen, sondern unterlagen inhaltlichen Entwicklungen und re-
gional bedingten Einflüssen. Denn es lässt sich beispielsweise mit Blick auf das
geistliche Gemeinschaftsleben zwar von Klosterreformen, Kanonikerreformen
und Wiederbelebung des eremitischen Lebens sprechen, doch gab es weder DIE
Klosterreform noch DIE Kanonikerreform. Zudem trat immer wieder zu Tage,
dass die Themen sich gegenseitig beeinflussten, teilweise sogar bedingten. So
zeigte der Exkurs zur Pataria, wie mehrere Themen verschmelzen und ganz
spezifische, regional beeinflusste Situationen erschaffen konnten, die einerseits
 
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