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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0301
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IV Resümee

Eremiten und Mönche engagierten sich ebenso häufig wie Kaiser und Könige,
direkt gefolgt von den Laien.
Rein quantitativ gesehen überragte das bischöfliche und religiöse Engage-
ment zwar die Führungsspitzen der Kirche, doch verfügten diese dafür quali-
tativ über größere Einflussmöglichkeiten. Demzufolge standen die Handlungs-
spielräume der jeweiligen Gruppen in direktem Zusammenhang zu ihrem so-
zialen Rang sowie ihren Ämtern: Je höher die beiden letzteren, umso umfang-
reicher gestaltete sich der räumliche und personelle Einfluss, wie sich insbe-
sondere am Beispiel Petrus Damianis zeigen ließ. Damit wird der Zusammen-
hang zwischen Kirchenreform, Hierarchie und Politik evident.
Die Reformthemen waren gesellschaftlich unterschiedlich breit verankert.
Als einziges Thema war die Erneuerung des gemeinschaftlichen geistlichen
Lebens in allen Gruppen und im gesamten Untersuchungsgebiet und -zeitraum
präsent. Es ist damit der gesellschaftlich am umfangreichsten diskutierte kir-
chenreformerische Aspekt. Es folgen die patarenischen Bewegungen mit zwar
nur regionaler Bedeutung ab 1057, dafür aber größter lebensweltlicher Relevanz
für die jeweilige Bevölkerungsentität. Erstaunlich ist, dass Verwandtenehen und
Gottesfrieden gesellschaftlich ebenso weitflächig wie das in der Literatur häufig
als Hauptthema der Reform erscheinende Simonieproblem zur Sprache kamen.
Hingegen engagierten sich lediglich zwei Gruppen in den Bereichen Kanones-
sammlungen, Nikolaitismus und Laieneinfluss. Ungeachtet der Qualität und
Quantität zeigt sich demnach, dass Nikolaitismus und Simonie in weitaus ge-
ringerem Ausmaß die mittelalterliche Gesellschaft prägten als die bisherigen
Darstellungen vermuten ließen.
Die Kritik der Reformer traf die verschiedenen Gruppen mit unterschiedli-
cher Intensität. Vor allem Kanoniker und Laien standen in der Schusslinie, direkt
gefolgt von Episkopat, Mönchen und Kaisern/Königen. Eremiten wie auch
Päpsten, deren Legaten und Kardinälen wurde lediglich der Vorwurf der Si-
monie zu Teil. Es überrascht dabei nicht, die Simonie als über die Gruppen am
weitesten gestreuten Kritikpunkt wiederzufinden, schließlich konnte sie von
allen ausgeübt werden. Entsprechend ihrer Natur findet sich Nikolaitismuskritik
ausschließlich im Bereich des Klerus, wobei aber weder Eremiten noch Päpste in
dieser Hinsicht kritisiert wurden. Laienfluss, Verwandtenehen und mangelnde
Friedens Währung wurden vor allen Dingen bei Laien sowie Kaisern/Königen
angemahnt, während sich im Bereich der Kanonessammlungen keinerlei Vor-
wurf nachweisen lässt.
In Ergänzung zu den obigen Anmerkungen sei nochmals auf die Beteiligung
der Laien hingewiesen: Wenngleich der Anteil aktiver Laien an kirchenrefor-
merischer Kommunikation nur grob schätzbar ist, fassen wir dennoch mindes-
tens 125 bis 212 involvierte Personen. Es waren aber weitaus mehr, wenn man
mir darin folgen will, dass beispielsweise der Akteur „Volk von Aire-en-Artois"
aus mehr als zwei Personen bestand. Der Großteil der namentlich bekannten
Laien waren Adelige, doch finden sich ebenso einfache Bürger, Kaufleute und
Rechtsgelehrte unter ihnen. Initiierende oder maßgebliche Rollen nahmen
Frauen dabei nicht nachweisbar ein.
 
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