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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0305
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304

IV Resümee

Hinsichtlich der Frage nach Öffentlichkeit wurde gezeigt, dass Reformer
öffentliche Meinungsbildung und -lenkung gezielt zur Anprangerung und Än-
derung der herrschenden Zustände nutzten, während Kritisierte und Verant-
wortliche fast immer bemüht waren, den Kreis der informierten Personen gering
zu halten. Dabei erkannten nicht nur Reformgegner, sondern auch einige Be-
fürworter das Potential dieser Kommunikationsmöglichkeit erst mit zeitlicher
Verzögerung, so dass Vorreiter zunächst sogar in den eigenen Reihen Über-
zeugungsarbeit zu leisten hatten. Die für Damiani herausgearbeiteten Grund-
sätze einer „Reform von oben, mit Wissen aller und für alle" bilden den Schlüssel
für das Vorankommen der Reformbestrebungen und legen die öffentliche Mei-
nung als zentralen Baustein in diesem Prozess offen. Was Zumhagen grundle-
gend ähnlich für die Pataria aufgezeigt hatte1489, kann somit nahezu generali-
sierend auf die gesamte Kirchenreform angewandt werden.
Die Kommunikation erfasste das Untersuchungsgebiet qualitativ und per-
sonell unterschiedlich: Während im Herzogtum Franken beispielsweise fast
ausschließlich synodale und damit hierarchisch gesteuerte Kommunikation
stattfand, stand in Nieder- und Oberlothringen hingegen intrinsisch motivierte
Kommunikation im Zentrum. Während die französischen, nicht dem König
unterstehenden Bistümer gezielt vom Papsttum nach und nach synodal oder per
Brief integriert wurden, so dass nahezu jede Grafschaft und jedes Herzogtum
mindestens einmal den päpstlichen Reformwillen zu spüren bekam, diskutierte
die oberitalienische Bevölkerung um Mailand, Florenz und Ravenna zum
größten Teil von sich aus und an verschiedenen Orten.
Die höchsten Kommunikationsdichten finden sich in den Herzogtümern
Nieder- und Oberlothringen sowie Franken, im Süden von Burgund und entlang
seiner Grenzen zum Königreich Frankreich sowie in der nördlichen Lombardei,
der Grafschaft Tuszien und schließlich im Kirchenstaat inklusive der Pentapolis.
Als Orte ragen mit Rom, Mainz, Mailand, Reims, Florenz und Frankfurt v.a.
Synodalorte heraus. In Südwestfrankreich, Spanien und den Marken des rö-
misch-deutschen Reiches konnten dagegen keinerlei Kontakte festgestellt wer-
den. Der eindeutige Mittelpunkt kirchenreformerischer Kommunikation lag in
Rom, wo das Reformpapsttum sein kommunikatives Zentrum unterhielt. Mit
dessen wachsender Machtfülle steigerte sich einerseits auch der Zwang für die
Peripherie, zur Erreichung eines Zieles Fühlung mit Rom aufzunehmen. Ande-
rerseits dienten die räumlichen Entfernungen dazu, bei Bedarf Distanz zu
schaffen, ohne unfolgsam zu erscheinen. Diese Heterogenität tritt ebenso im
Wirkungsraum der Kommunikation zu Tage. So entstanden im Laufe der Jahre
sich teilweise überlappende Reformräume, in denen weltliche und geistliche
Einflüsse, überregionale und lokale Beschlüsse sowie thematisch vielfältige
Kommunikation wirksam wurden. Demgegenüber scheint es aber auch Räume
gegeben zu haben, die nicht nachweisbar in Berührung mit der Kirchenreform
kamen. Ob sie ihrer nicht bedurften, sie ignorierten oder schlicht keine dem-

1489 Zumhagen, Interaktion 2002, S. 82.
 
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