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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0390
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VI.3 Religiöse

389

Ähnlich verhält es sich hinsichtlich seiner persönlichen Kontakte: Was genau
Poppo 1047 bei einem Treffen mit Wazo von Lüttich besprach und ob es tat-
sächlich, wie Schäfer vermutete, um eine reformrelevante Nachfolgeregelung in
St-Vaast ging, kann nur angenommen werden.* * * * * * 2119 Dagegen wissen wir aus einem
Brief Abt Siegfrieds von Gorze, dass Poppo zunächst mit Heinrich über die
Verwandtenehe mit Agnes von Poitou kommunizierte, um sich anschließend
vom Gorzer Abt bei einem persönlichen Gespräch genauere Informationen zu
beschaffen. Doch Siegfried bedurfte einer verlässlicheren Quelle als sie ihm sein
eigenes Gedächtnis bot und so reichte er die nötigen Informationen später
brieflich nach.2120 Wie Poppo mit diesen Nachrichten verfuhr und ob sie Heinrich
III. überhaupt erreichten, bleibt offen und so kann das argumentum e silentio -
Poppo hätte in diesem Punkt auf Seiten des Saliers gestanden und keine kon-
kreten Maßnahmen ergriffen2121 - nicht zweifelsfrei überzeugen. Poppos Tätig-
keit als königlicher Ratgeber erklärte Schäfer übrigens nicht aus der Hinwen-
dung des Königs zum Mönchtum, sondern aus Poppos vornehmer Herkunft.2122
VI.3.9 Richard, Abt von St-Vanne und weiteren Klöstern
Einer der wirkmächtigsten monastischen Reformer des frühen 11. Jahrhunderts,
Richard2123 von St-Vanne, war durch seine Ausbildung in der berühmten Reimser
Domschule unter Gerbert von Aurillac2124 und seinem dortigen Dekanat ei-
gentlich der vita canonica verschrieben. Gemeinsam mit dem Verduner Grafen-

Nachfolge des am 2. Januar 1048 verstorbenen Abtes Alberich von Marchiennes für vier Monate
antreten, wenn er selbst bereits am 25. Januar 1048, gute drei Wochen später, starb? Ihr Argument
indes, dass Durchsetzung von Reformen der wirtschaftlichen und moralischen Verhältnisse in
der Abtei innerhalb von vier Monaten jedoch nicht anzunehmen ist, erhält mit der korrigierten
Interpretation auf maximal einen Monat zusätzliches Gewicht. Ein Reformversuch ist jedoch
möglich. Zu St-Vaast s. folgende Anm.
2119 Auf dem Weg zur Übernahme des balduinischen Eigenklosters St-Vaast in Arras habe Poppo
Bischof Wazo von Lüttich in Namur getroffen: „Bei dieser Unterredung erhielt er vom Bischof
Unterweisungen, wie er die Sache in Arras regeln sollte, denn Poppo setzte später - wohl nicht
von ungefähr - den Bruder Wazos, Emmelinus, als Abt in Arras ein", so Schäfer, Studien 1991, S.
108. VgL Vita Popponis 26, S. 310, Z. 18-34. St-Vaast selbst scheint im Jahr 1047 (nach Poppos
eigenen Reformeingriffen vor 1020) bis auf den Tod des Abtes weder disziplinarische noch
moralische Probleme gekannt zu haben, so dass Schäfer, S. 109 eher von Prestigegründen
Balduins V. ausging.
2120 S. unten Abschnitt VI.3.10.
2121 Schäfer, Studien 1991, S. 124. - Auch wenn hierin kein Reformeifer deutlich werde, verwies
Schäfer auf Poppos Kritik an den grausamen Belustigungen am Königshof Heinrichs II., deren
Zeuge er als junger Mönch wurde. Heinrich II. soll diese Programmpunkte folglich verboten
haben.
2122 Ebd., S. 10.
2123 Zu ihm vgL Sackur, Cluniazenser 2 1965, Register S. 521; Hallinger, Gorze 2 1950, Register
S. 1036; Dauphin, Richard 1946; Sabbe, Notes 1928.
2124 Zu ihm vgL einführend Lindgren, Gerbert 1989. Richard unter die Schüler Gerberts zu zählen,
sei, trotz mangelnder Belege aus den Quellen, möglich; vgl. Dauphin, Richard 1946, S. 38.
 
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