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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 28.1929

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Eisler, Max: Ein Brünner Architekt
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https://doi.org/10.11588/diglit.48541#0344

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278


Architekt Bohuslav Fuchs, Brünn
Schwimmbad in Brünn. 1928

EIN BRUNNER ARCHITEKT

Unter den Städten des mittleren Europa haben in letzter
Zeit wohl nur wenige eine ähnlich schnelle und starke
Entwicklung aufzuweisen wie die Stadt Brünn. Dieser Auf-
schwung tritt heute besonders deutlich zutage. Die staat-
liche Neuordnung hat eine straffe Zentralisation mit sich
gebracht, die der Hauptstadt des Landes am meisten zu-
statten kommt: Die Zahl und Bedeutung der Ämter ist
ungemein gestiegen; die sozialen Maßnahmen, die von ihnen
ausgehen, haben allenthalben neue Einrichtungen hervor-
gerufen, die den modernen westlichen Standard zu halten
bemüht sind; die neue Führung der Verkehrswege hat den
Wirkungskreis der Stadt auf ihre Umgebung so sehr ver-
größert, daß die Hauptstraßen den täglichen Zustrom der
auswärtigen Käufer und Besucher kaum noch fassen können,
die Verwaltung der Gemeinde muß durchgreifende Regu-
lierungen und Erweiterungen ins Auge fassen. Und an
alledem nimmt Bohuslav Fuchs nun schon seit Jahren in
erster Reihe teil.
Man wird seine Leistung, von der hier nur ein Ausschnitt
gezeigt wird, nicht richtig einschätzen können, hält man ihr
nicht entgegen, was sie am Beginne vorgefunden hat. Das
wirtschaftliche Leben der Stadt hatte damals schon ein volles
Menschenalter des kräftigsten Aufstieges hinter sich, Brünn
war längst schon eine Metropole der Industrie geworden.
Aber ihr Baubild war, gerade an den lebendigsten Stellen,
im übelsten Sinn des Wortes „amerikanisiert“, im Fabriks-
viertel herrschte der kahle Nutz- oder Notbau, im Villen-
viertel kulturlose Verwirrung. Dort lebte die Stadt unter
ihren Verhältnissen, hier versuchte sie, diese zu übertrumpfen.
Unter solchen Umständen wurde es das beste Verdienst
jener kleinen Gruppe, der Fuchs, getragen vom Vertrauen
der Stadtverwaltung, besonders wirkungsvoll angehört, daß
sie Stadtleben und Stadtbau aufs Gleiche gebracht, also

die Kultur wieder hergestellt hat. Man wird nur schwer
einen Ort finden, wo die Sachlichkeit der neuen Architektur
so viel Gutes gestiftet hat, wo sie so Wertvolles bedeutet
wie hier. An die Stelle des eitlen und eiligen Wirrwarrs
setzt sie ein schlichtes, aufrichtiges Wesen, das ehrliche
Maß und die ganze Wahrheit. Da eine Tradition am Orte
fehlt, begnügt sich die Bauweise, die Atmosphäre zu reinigen
und die neuen Grundlagen zu schaffen. Sie vollbringt so
vor allem eine kulturelle Tat.
Es ist hier nicht möglich, auch ihren künstlerischen Eigen-
schaften näher nachzugehen. Denn schon die kleine Auslese,
die wir bieten, zeigt, daß sich die Arbeit des Baumeisters
auf sehr Verschiedenes erstreckt. Daß sie dabei auch für
das Schwierigste — z. B. für den Schmalbau des Hotels
mit dem drei Stock hohen Cafe — eine leichte und glückliche
Lösung findet, sei nur nebenher bemerkt. Wir müssen dies-
mal uns beschränken, auf ein wiederkehrendes Merkmal
der Architektur von Fuchs hinzuweisen, dem eine besondere
Bedeutung zukommt. Seit der Aufrichtung des Palais La-
zansky, also seit mehr als einem Jahrhundert, war dem
Bauwesen der Stadt der feinere Sinn für ihre Landschaft
völlig verloren gegangen. Nun stellt er, ganz neu, sich wieder
ein. Man wird ihn besonders rein in der räumlich emp-
fundenen und befreiten Form der Villa Radun, man wird
ihn auch an den Grundrissen der beiden Schulen und end-
lich an der flachen, weiten Anlage des Schwimmbades
erkennen. Daß dieser Sinn für die Landschaft, stets und
auch heute ein Element echter Baukunst, sich bei so vielen
und verschiedenen Aufgaben immer wieder, immer anders
einstellt, deutet schon auf eine schöne Begabung, mit deren
Charakter wir uns nächstens einmal noch genauer befassen
wollen.
Max Eisler
 
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