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ARCHITEKTUR UND PLANUNG
DES PALASTHOTELS „MANNHEIMER HOF“
ARCHITEKTEN: PROF. FRITZ BECKER UND D R.-I N G. E. KUTZN E R, DÜSSELDORF
Es gibt für den Architekten heute keine schwierigere aber
auch gleichzeitig reizvollere Aufgabe als ein großes neu-
zeitliches Hotel zu bauen. Gerade bei einem mit allen
Feinheiten der modernen Technik auszustattenden Hotelbau
kann der tatenfrohe Architekt seine Kräfte messen. Hier
kommt er als Künstler, Techniker und Organisator in gleicher
Weise zu seinem Recht.
Bei einem großstädtischen Hotel, das mehreren hundert
Menschen als Wohn-und Aufenthaltsraum dienen soll, handelt
es sich um ein Bauwerk, dessen Organismus in jeder Einzel-
heit genauestens überlegt werden muß, wenn einerseits der
Gast sich darin wirklich wohl und heimisch fühlen, und
andererseits die Hotelleitung in der Lage sein soll, ihren
„Dienst am Gast“ reibungslos und mit Erfolg durchzuführen.
In einem Hotel haben wir im Grunde genommen nichts
anderes zu erblicken als ein „Großwohnhaus“ mit vielen
einzelnen Wohnzellen. Es entspricht unserem Drang nach
Ehrlichkeit und Sachlichkeit, wenn wir diesen Charakter als
Großwohnhaus ganz ungeschminkt zum Ausdruck bringen
und ihn nicht hinter einer monumentalen Palastfassade ver-
stecken, wie sie noch kurz vor dem Kriege für Hotelbauten
fast allgemein üblich war.
Da die Obergeschosse in der Hauptsache die Gastzimmer
mit ihrem Zubehör enthalten, genügt es, diesen Geschossen
die Höhenabmessungen normaler Wohngeschosse zu geben.
Diese Überlegung bestimmt wesentlich den architektonischen
Maßstab des Außenbaues. Lediglich im Erdgeschoß, das
die Gemeinschaftsräume: die Gesellschafts- und Festräume
beherbergt, also Raumgruppen, deren Abmessungen die-
jenigennormalerWohnräumezumTeil erheblich überschreiten,
wird sich ein größerer Maßstab von selbst ergeben. Nach
diesen Grundsätzen ist auch die äußere bauliche Erscheinung
des Mannheimer Hotels ganz ungekünstelt entwickelt worden
als vielgeschossiges Großwohnhaus, das sich über dem hohen
Erdgeschoß mit seinen verschiedenen Eingängen und den
hohen Saalfenstern aufbaut.
Darüber hinaus war es die Aufgabe des Architekten, das
neue Haus in den gegebenen Rahmen, in die Lücke zwischen
den beiden Nachbarhäusern plastisch möglichst klar ein-
zufügen. Vielleicht mag mancher beim ersten Blick auf das
neue Haus die äußere Erscheinung als zu anspruchslos
empfinden. Nach unserer Auffassung hat aber die Natur des
Baugeländes und die Nachbarschaft des in bezug auf seinen
architektonischen Ausdruck sehr lauten rechten Eckbaus
eine taktvolle Zurückhaltung gerade in der Sprache der
Außenarchitektur zur Pflicht gemacht. Grundsätzlich sollten
wir uns daran gewöhnen, vom städtischen Einzelbau in erster
Linie einen harmonischen Zusammenklang mit der Umgebung
zu verlangen. Wir müssen jedes Haus empfinden lernen als
Teil eines größeren Zusammenhanges, der Pflichten hat
seiner Umgebung gegenüber. Nur dann dürfen wir von
unseren modernen Städten hoffen, daß sie die große Linie
und den unvergleichlichen Rhythmus alter Städtebildungen
wieder erreichen.
Da das neue Haus nur mit einer Front in Erscheinung
tritt — die Ansicht nach der Richard-Wagner-Straße ist
selbstverständlich nur provisorisch, bis einmal die Lücke
zwischen den benachbarten Brandgiebeln durch einen Er-
weiterungsbau geschlossen ist — wird der Beschauer beim
ersten Blick nicht gewahr, daß sich ein so stattliches und
weiträumiges Gebäude hinter der Front verbirgt. Erst beim
Betreten des Hauses merkt er, um welch weitläufige, groß
angelegte Bauanlage es sich beim „Mannheimer Hof“ handelt.
Es war ein wesentlicher Teil der architektonischen Aufgabe,
dem Besucher des Hauses durch lebendige und zweckvolle
Gestaltung des Raumgefüges hinter der Außenwand deutlich
fühlbar zu machen, daß das neue Haus das „Haupt-
gesicht“ nicht zur Straße, sondern beschaulich
nach innen kehrt. So entstand der Gedanke an den großen
quadratischen Innenhof, der, peinlich beschützt vor un-
berufenen Einblicken und unerwünschten Geräuschen, Herz
und Lunge des Neubaues bildet.
Das Leben im modernen Hotel ist, namentlich wenn es
nicht nur Aufenthaltsraum für den Reisenden bietet, sondern
wie in Mannheim, auch den gesellschaftlichen Zwecken der
ortsansässigen Kreise dienen soll, einem bunten Wechsel
unterworfen. Demgemäß müssen die Gesellschaftsräume und
Festräume für sehr verschiedenartige Zwecke benutzbar sein.
Sie müssen sich leicht einzeln oder in Gruppen ohne Störung
herauslösen und verwenden lassen. Diesem Bedürfnis kommt
die Grundrißgestaltung des Hauses in außerordentlich hohem
Maße entgegen, zumal drei voneinander gänzlich getrennte
Zugänge mit eigener Garderobenanlage geschaffen sind, die
eine Benutzung der Gesellschaftsräume ohne Störung durch
den Hotelbetrieb ermöglichen.
Über die Gesamtanlage der Obergeschosse ist zunächst
zu sagen, daß sie sich der Grundidee des umbauten Innnen-
hofes aufs beste anzupassen hatte. Ja, es war schon bei der
ersten Projektierung des Wettbewerbsentwurfs als entschei-
dender Vorzug angesehen worden, daß durch die Anlage des
Innenhofes der größte Teil der Gästezimmer eine vollkommen
ruhige, staub- und geruchfreie Lage erhalten konnte, wie
sie leider bei großstädtischen Gasthäusern so selten ist. Und
wie wichtig ist es für den müden Reisenden, wenigstens in
seinem Schlafraum wirkliche Ruhe zu finden! So lebhaft das
Treiben auch in den Gesellschaftsräumen sein mag, gehen
die Gäste des „Mannheimer Hofes“ auf ihr Zimmer, so
umfängt sie eine geradezu klösterliche Ruhe. Wir hoffen,
daß gerade dieser Umstand dem neuen Hause viele Freunde
zuführen wird.
Beim modernen Hotelbau müssen weit mehr als in früheren
Zeiten wirtschaftliche Gesichtspunkte Berücksichtigung finden.
ARCHITEKTUR UND PLANUNG
DES PALASTHOTELS „MANNHEIMER HOF“
ARCHITEKTEN: PROF. FRITZ BECKER UND D R.-I N G. E. KUTZN E R, DÜSSELDORF
Es gibt für den Architekten heute keine schwierigere aber
auch gleichzeitig reizvollere Aufgabe als ein großes neu-
zeitliches Hotel zu bauen. Gerade bei einem mit allen
Feinheiten der modernen Technik auszustattenden Hotelbau
kann der tatenfrohe Architekt seine Kräfte messen. Hier
kommt er als Künstler, Techniker und Organisator in gleicher
Weise zu seinem Recht.
Bei einem großstädtischen Hotel, das mehreren hundert
Menschen als Wohn-und Aufenthaltsraum dienen soll, handelt
es sich um ein Bauwerk, dessen Organismus in jeder Einzel-
heit genauestens überlegt werden muß, wenn einerseits der
Gast sich darin wirklich wohl und heimisch fühlen, und
andererseits die Hotelleitung in der Lage sein soll, ihren
„Dienst am Gast“ reibungslos und mit Erfolg durchzuführen.
In einem Hotel haben wir im Grunde genommen nichts
anderes zu erblicken als ein „Großwohnhaus“ mit vielen
einzelnen Wohnzellen. Es entspricht unserem Drang nach
Ehrlichkeit und Sachlichkeit, wenn wir diesen Charakter als
Großwohnhaus ganz ungeschminkt zum Ausdruck bringen
und ihn nicht hinter einer monumentalen Palastfassade ver-
stecken, wie sie noch kurz vor dem Kriege für Hotelbauten
fast allgemein üblich war.
Da die Obergeschosse in der Hauptsache die Gastzimmer
mit ihrem Zubehör enthalten, genügt es, diesen Geschossen
die Höhenabmessungen normaler Wohngeschosse zu geben.
Diese Überlegung bestimmt wesentlich den architektonischen
Maßstab des Außenbaues. Lediglich im Erdgeschoß, das
die Gemeinschaftsräume: die Gesellschafts- und Festräume
beherbergt, also Raumgruppen, deren Abmessungen die-
jenigennormalerWohnräumezumTeil erheblich überschreiten,
wird sich ein größerer Maßstab von selbst ergeben. Nach
diesen Grundsätzen ist auch die äußere bauliche Erscheinung
des Mannheimer Hotels ganz ungekünstelt entwickelt worden
als vielgeschossiges Großwohnhaus, das sich über dem hohen
Erdgeschoß mit seinen verschiedenen Eingängen und den
hohen Saalfenstern aufbaut.
Darüber hinaus war es die Aufgabe des Architekten, das
neue Haus in den gegebenen Rahmen, in die Lücke zwischen
den beiden Nachbarhäusern plastisch möglichst klar ein-
zufügen. Vielleicht mag mancher beim ersten Blick auf das
neue Haus die äußere Erscheinung als zu anspruchslos
empfinden. Nach unserer Auffassung hat aber die Natur des
Baugeländes und die Nachbarschaft des in bezug auf seinen
architektonischen Ausdruck sehr lauten rechten Eckbaus
eine taktvolle Zurückhaltung gerade in der Sprache der
Außenarchitektur zur Pflicht gemacht. Grundsätzlich sollten
wir uns daran gewöhnen, vom städtischen Einzelbau in erster
Linie einen harmonischen Zusammenklang mit der Umgebung
zu verlangen. Wir müssen jedes Haus empfinden lernen als
Teil eines größeren Zusammenhanges, der Pflichten hat
seiner Umgebung gegenüber. Nur dann dürfen wir von
unseren modernen Städten hoffen, daß sie die große Linie
und den unvergleichlichen Rhythmus alter Städtebildungen
wieder erreichen.
Da das neue Haus nur mit einer Front in Erscheinung
tritt — die Ansicht nach der Richard-Wagner-Straße ist
selbstverständlich nur provisorisch, bis einmal die Lücke
zwischen den benachbarten Brandgiebeln durch einen Er-
weiterungsbau geschlossen ist — wird der Beschauer beim
ersten Blick nicht gewahr, daß sich ein so stattliches und
weiträumiges Gebäude hinter der Front verbirgt. Erst beim
Betreten des Hauses merkt er, um welch weitläufige, groß
angelegte Bauanlage es sich beim „Mannheimer Hof“ handelt.
Es war ein wesentlicher Teil der architektonischen Aufgabe,
dem Besucher des Hauses durch lebendige und zweckvolle
Gestaltung des Raumgefüges hinter der Außenwand deutlich
fühlbar zu machen, daß das neue Haus das „Haupt-
gesicht“ nicht zur Straße, sondern beschaulich
nach innen kehrt. So entstand der Gedanke an den großen
quadratischen Innenhof, der, peinlich beschützt vor un-
berufenen Einblicken und unerwünschten Geräuschen, Herz
und Lunge des Neubaues bildet.
Das Leben im modernen Hotel ist, namentlich wenn es
nicht nur Aufenthaltsraum für den Reisenden bietet, sondern
wie in Mannheim, auch den gesellschaftlichen Zwecken der
ortsansässigen Kreise dienen soll, einem bunten Wechsel
unterworfen. Demgemäß müssen die Gesellschaftsräume und
Festräume für sehr verschiedenartige Zwecke benutzbar sein.
Sie müssen sich leicht einzeln oder in Gruppen ohne Störung
herauslösen und verwenden lassen. Diesem Bedürfnis kommt
die Grundrißgestaltung des Hauses in außerordentlich hohem
Maße entgegen, zumal drei voneinander gänzlich getrennte
Zugänge mit eigener Garderobenanlage geschaffen sind, die
eine Benutzung der Gesellschaftsräume ohne Störung durch
den Hotelbetrieb ermöglichen.
Über die Gesamtanlage der Obergeschosse ist zunächst
zu sagen, daß sie sich der Grundidee des umbauten Innnen-
hofes aufs beste anzupassen hatte. Ja, es war schon bei der
ersten Projektierung des Wettbewerbsentwurfs als entschei-
dender Vorzug angesehen worden, daß durch die Anlage des
Innenhofes der größte Teil der Gästezimmer eine vollkommen
ruhige, staub- und geruchfreie Lage erhalten konnte, wie
sie leider bei großstädtischen Gasthäusern so selten ist. Und
wie wichtig ist es für den müden Reisenden, wenigstens in
seinem Schlafraum wirkliche Ruhe zu finden! So lebhaft das
Treiben auch in den Gesellschaftsräumen sein mag, gehen
die Gäste des „Mannheimer Hofes“ auf ihr Zimmer, so
umfängt sie eine geradezu klösterliche Ruhe. Wir hoffen,
daß gerade dieser Umstand dem neuen Hause viele Freunde
zuführen wird.
Beim modernen Hotelbau müssen weit mehr als in früheren
Zeiten wirtschaftliche Gesichtspunkte Berücksichtigung finden.