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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 28.1929

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Hartlaub, Gustav Friedrich: Geschmack im Hotelbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.48541#0435

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353

GESCHMACK IM HOTELBAU
von Dr. Gustav F. Hartlaub, Mannheim

Die letzten vier Jahrzehnte, in denen die entscheidenden
Züge eines neuen Weltalters der Wirtschaft und der
Technik unverkennbar und unausweichlich geworden sind,
haben innerhalb der Baukunst eine Reihe von neuartigen
Typen geschaffen, deren Grundformen heute einigermaßen
feststehen. Für die Aufgabe des Hotelbaues hat sich eine
derartige spezifisch neuzeitliche Einheitsgestalt nicht heraus-
gebildet. Wenig Bauaufgaben sind so sehr mit Tradition
aus den Grün-

rein logischer und funktionaler Weise lösen würde. Man
könnte sich eine solche Gemeinschafts-Gastwohnung trotz
schnellster Zugänglichkeit von Bahnhof und City doch im
Grünen schwebend denken mit Dachgarten, Höfen und Ter-
rassen, als ein unaufdringliches Sanatorium beinahe für den
von Reise und Tagesarbeit abgehetzten Gast. Aber das
Publikum für eine solche Gaststätte ist heute noch nicht
da und man findet es am allerwenigsten in der internatio-
nalen Schicht

derjahrzehnten
des 19. Jahrhun-
derts belastet,
wenige haben
soviele bedenk-
liche Rücksich-
ten zu nehmen.
Ein Hotel wen-
det sich an eine
Gesellschaft, die
international
und darum von
ganz verschie-
dener Ge-
schmacks- und
Bildungsstufe
ist. Von dieser
Gesellschaft ist
es abhängig. Ein
Hotel darf in
seiner Erschei-
nung nicht for-
dern, nicht er-


Palasthotel „Mannheimer Hof“. Kleines Schreibzimmer

der reisenden
Welt. (Man kann
auch ein Schiff,
obgleich gerade
hier die apparat-
haft-technische
Durchgestal-
tung besonders
nahe läge, heute
noch nicht voll-
kommen so
durchbilden, wie
man es aus mo-
derner Kon-
struktionsgesin-
nung heraus
wünschen möch-
te: einfach weil
die internatio-
nale Welt eine
derartige streng
rationale Form,
wie sie es sich

ziehen, nicht programmatisch sein, es muß sich einigermaßen
neutral halten gegenüber Richtungen, politischen, künst-
lerischen, geschmacklichen Einstellungen. Ein Hotel ist dar-
um ohne Konvention heute noch kaum denkbar, und diese
wird nicht existieren können, ohne das im billigen Sinne
Imponierende mitzuschleppen. Will doch das „Publikum“,
dieser farblose Sammelbegriff für eine nur durch das un-
gefähr gleiche Geldbeutelniveau gekennzeichnete Menschen-
menge, bis heute im Hotel noch etwas finden, was ihm das
eigene Heim kaum zu bieten vermag: einen Palastersatz,
pomphaften Luxus, Hochgefühle, die seiner privaten Exi-
stenz meist abgehen.
Gewiß, es ließe sich wohl in der Phantasie eines Architekten,
der zugleich ein Menschheitsverbesserer, ein Gesellschafts-
utopist sein müßte, ein Hotel ausdenken, das die besten
Eigenschaften der neuen Bautypen aufweisen und das zu-
gleich die Aufgabe einer komfortablen Massenwohnung in

bei einem eleganten Auto selber wünscht, bei einem Pas-
sagierdampfer noch nicht dulden würde, weil es den
„schwimmenden Hotelpalast“ will.)
Wer heute ein Hotel zu bauen und auszustatten hat,
wird bei dieser heiklen und vielfältig belasteten Aufgabe
mit Radikalismus und programmatischen Forderungen keinen
Bauherrn befriedigen. Seine Aufgabe kann zunächst nur sein,
das allzu Fatale eines kitschigen Hotelpomps älteren Stils,
den verwaschenen Allerweltsluxus in diskreter Weise durch
eine immer noch allgemein verständliche Eleganz zu ersetzen,
auf die das Prädikat „gemäßigt modern“ zutrifft. Es ver-
steht sich von selbst, daß auch innerhalb solcher Kompro-
misse noch die größten Unterschiede von Gut und Schlecht,
Anständig und Verlogen, Qualitätvoll und Dilettantisch be-
stehen. In Mannheim hat man innerhalb der gegebenen
Grenzen das Beste getan; man hat eine achtbare, in vielen
Punkten sogar vorbildliche Leistung der Raumgestaltung
 
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