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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 28.1929

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W.-K.: Zu den Abbildungen der Seiten 313-328
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https://doi.org/10.11588/diglit.48541#0390

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speziellen Lösung- stellt dieses Einfamilienhaus doch einen
Typus dar, wie er für die heutigen Bedürfnisse des sozial
gehobeneren Mittelstandes allgemeine Gültigkeit hat. Als
originell und in der Raumausnutzung sehr glücklich, muß
auf die Treppenanlage besonders hingewiesen werden. Auch
die Proportionierung der Räume und ihre Verbindungs-
möglichkeit ist sehr geschickt und entspricht den heutigen
Wohnanforderungen. Daß die technische Bauweise bei sol-
cher Hausanlage ebenfalls auf Grund modernster Anfor-
derungen durchgeführt ist, braucht nicht noch besonders
betont zu werden.
Ähnlich sind auch in vieler Hinsicht die beiden Torhäuser
eines Friedhofes von Baurat Dr.-Ing. Zoller, Breslau.
Die Sonderaufgabe beruhte in der Bestimmung als Tor-
häuser, wodurch rein formal eine gewisse Verpflichtung
architektonischer Gruppierung gegeben war, und in der
Ausbildung des Obergeschosses als Wohnung für die Fried-
hofsinspektoren. Die überzeugende Klarheit und Schlichtheit
der Baugruppe ist auch hier ein Zeugnis für den ernsten
Bauwillen unserer Zeit. Unter Vermeidung aller Schein-
kultur entstand ein würdiger baukünstlerischer Auftakt zur
Friedhofsanlage.
Ein reizvoller Auftrag fiel dem Architekten Regierungs-
baumeister a. D. Hans Jessen, Berlin, mit der Bebauung
des Geländes an der Jeverstraße in Berlin - Steglitz zu.
Für die Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungs-
baues, eine der zuverlässigsten gemeinnützigen Wohnungs-
baugesellschaften Berlins, wurden 1927 hier 200 Wohnungen
geschaffen. Auch bei dieser Aufgabe ergab sich naturnot-
wendig eine verwandte Lösung wie in Köln bei der Sied-
lung Zollstock. Die Lage innerhalb des Stadtbereiches be-
dingte geschlossene mehrgeschossige Bauweise unter An-
passung an die vorhandenen Straßenzüge. Als Bewohner
kamen Angehörige des Mittelstandes in Frage. Unter be-
sonderer Berücksichtigung der Berliner Wohnverhältnisse
entstanden Kleinwohnungen, sogar z.T. kleinsten Ausmaßes.
Vorherrschend sind die Wohnungen mit 21/2 Zimmern, da-
neben bestehen noch Typen von 3]/2 Räumen, aber auch
solche von nur l1/^ Zimmern. Die Ausstattung der Häuser
folgte jedoch höheren Ansprüchen, wie sie in einer Groß-
stadt geltend gemacht werden. Vor allem wurde Zentral-
heizung und Warmwasserversorgung eingebaut.
Die architektonische Lösung machte sich die durch das
leicht abfallende Gelände und die durch die geschwungene
Straßenführung gegebenen Voraussetzungen zunutze. So ent-
stand ein bewegter und gegliederter Baublock sehr leben-
diger Art. Alle Schematisierung, die als Gefahr beim Miets-
hausbau immer droht, konnte glücklich vermieden werden.
Die Front nach der Jeverstraße zu erhielt eine konkav ge-
schweifte Form, während an der Poschingerstraße mit Rück-
sicht auf einen vorhandenen Platz eine konvexe Führung
notwendig wurde. Gleichzeitig mußte das Gefälle des Ge-
ländes an der Lothar-Bucher-Straße architektonisch aus-
gewertet werden. Mit außerordentlich künstlerischem Ge-
schick hat Jessen die ganze Anlage städtebaulich zur
Wirkung gebracht. Die Monotonie der Linienführung konnte

durch Höhenstaffelung und Ausschwingen behoben werden.
Auf Schmuckmotive wurde bei solcher zweckmäßig begrenz-
ten Bauaufgabe völlig verzichtet, wohl aber durch die Glie-
derung der Flächen und Fensteröffnungen eine weitere
künstlerische Belebung der Fronten erreicht. Auch bei diesem
Baublock ist der Hof ein wesentlicher Faktor. Er wurde
als Wohnhof ausgestaltet. Durch Absetzung verschiedener
Terrassen war die störungsfreie Unterbringung der in Berlin
scheinbar noch unumgänglichen Müllhäuschen glücklich er-
möglicht. Baumbepflanzungen und Grünanlagen geben der
Hoffläche ein freundliches Bild. Am interessantesten und
eindrucksvollsten ist zweifellos aber die Wirkung der ge-
schweiften Rückfronten der Häuser, durch die der Hof seine
besondere Note und Fassung erhält. Als Material gelangten
an den Außenfronten Eisenklinker in reichem farbigem Spiel
und dazu abgestimmte Putzflächen in rötlichem Braun zur
Verwendung. Das flache Dach wurde aus rein wirtschaft-
lichen Gründen gewählt. Eigenartig ist die Ausbildung der
Dachrinne zu einem markant profilierten Gesims als Ab-
schluß des überstehenden Daches.
Die Abbildungen bringen noch zwei Gemeindehäuser.
Hans Jessen hat auf Grund seines preisgekrönten Wett-
bewerbsentwurfes die Ausführung eines Gemeindehauses für
die evangelische Gemeinde Berlin-Dahlem erhalten. Städte-
baulich war Rücksichtnahme auf die alte Dorfkirche und den
Baucharakter der Umgebung als Villenvorort Bedingung. So
entstand ein freistehendes, zweistöckiges Gebäude einfachster
Form in Rathenower Ziegeln. Durch Betonung der Platz-
abschlußwand und durch die sachlich bedingte Anordnung
der Räume ergab sich die reichgegliederte Grundgestalt des
Baues. Die Innenausstattung, insbesondere des großen und
kleinen Saales, wurde farbig stark belebt, um das Festlich-
Frohe der Raumstimmung zu unterstreichen. Die ganze
Anlage ist künstlerisch wie praktisch bis zum letzten
durchgebildet und erweist sich in der Benutzung als be-
deutender Faktor des Gemeindelebens, an dessen Hebung
der Architekt durch seine architektonische Leistung wesent-
lichen Anteil hat.
Die Erbauung des evangelischen Gemeindehauses in Köln-
Sülz erfolgte nach siegreichem Wettbewerb durch die Ar-
chitekten Heinrich Mattar und Eduard Scheier, Köln. Hier
wurde ein wirkungsvolles Eckgebäude geschaffen, das in
seiner geschlossenen großen Form eine markante Anlage
darstellt. Ernst und ruhig treten die mit Klinkern verblendeten
Fronten in Erscheinung, die Ausbildung plastisch empfundener
Risalite geben ihnen besondere Akzente. Im Inneren erfolgte
die Raumanordnung nach zweckmäßigen Gründen. Entschei-
dend für die Raumwirkung wurde in erster Linie die wohl-
abgewogene Proportionierung der einzelnen Säle und Zimmer.
Da die finanziellen Mittel begrenzt, auf gediegene Ausführung
jedoch besonderer Wert gelegt wurde, erhielten die Räume
je nach ihrer Bestimmung eine mehr oder minder reiche
Ausstattung. Es war aber trotzdem möglich, den Bau zu
einem künstlerisch einheitlichen Organismus zu gestalten
und eine bedeutende repräsentative Erscheinung als Haus
der Gemeinde zu schaffen. W.-K.
 
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