DIE NEUORDNUNG DES ERFURTER MUSEUMS.
VON
EDWIN REDSLOB.
Da dem Museum der Stadt Erfurt ein umfassender Neubau gesichert ist, der
die zurzeit auf fünf verschiedene Gebäude verteilten Sammlungen vereinigen und
ihre Erweiterung ermöglichen soll, hat die Neueinrichtung des Erdgeschosses im
Anger-Museum nur als provisorisch zu gelten.
Wenn ihr trotzdem einige Beachtung geschenkt wurde, so liegt dies wohl
einerseits an der Schönheit der verwandten Räume des am Ende des 17. Jahr-
hunderts erbauten kurmainzischen Zeughauses, andererseits an der Eigenart des Be-
sitzes1), der schon jetzt erkennen läßt, daß in Erfurt ein Zentralmuseum für Thüringer
Kunst erstehen wird.
Die Räume sind zwar für die dauernde Aufbewahrung einer Sammlung un-
geeignet; denn wenn sie sich auch in dem Sinne einer vorübergehenden Ausstellung
gut einrichten ließen, so haben sie doch nicht die Wandelbarkeit und Erweiterungs-
möglichkeit eines auf Zuwachs berechneten Sammlungsgebäudes, so daß es schon
jetzt gelegentlich unmöglich war, wichtige Neuerwerbungen unterzubringen.
Dennoch hat Professor van de Velde, der mit der Ausarbeitung zu einem Vor-
entwurf für das geplante Museum betraut wurde, durchaus recht, wenn er vor-
schlug, gewisse Momente der Aufstellung auch für den Neubau zu übernehmen.
Er dachte dabei wohl vor allem an die kirchliche Stimmung der drei Räume
für die Holzplastik, die ohne jede Imitation gotischer Formen erreicht worden ist,
weil den Räumen in ihrer freien Einwölbung etwas von der Kühnheit des Mittelalters
eigen ist, ohne daß sie eine Kirche vorzutäuschen versuchen. Auch enthält
die architektonische Gestaltung durch Nischen, Abeckungen oder Vorsprünge eine
Fülle bestimmter Motive, deren Ausnutzung der vorgenommenen Aufstellung den
Charakter des sachlich Notwendigen verleiht.
Über den befremdenden Eindruck so vieler gotischer Skulpturensammlungen,
der durch die Vereinigung der im Gegensatz zur Antike in willkürlichem Maß-
stab gehaltenen Figuren entsteht, hilft die Verwendung von Nischen (Abb. 1) hin-
weg, in denen kleinere Stücke oder — wie in dem Altarraum (Abb. 2) — Reliquien-
büsten untergebracht sind. Derartige Nischen machen es auch möglich — was im
zweiten Raum gewählt wurde — wertvolle Stücke hinter Glas zu bewahren. Die
Blendung durch das gegenüberliegende Fenster ist dadurch behoben, daß das Licht
durch die Scheiben gotischer Glasmalereien gedämpft wurde.
x) Vgl. Overmann: Die älteren Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt.
Museumskunde. IX, 4.
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VON
EDWIN REDSLOB.
Da dem Museum der Stadt Erfurt ein umfassender Neubau gesichert ist, der
die zurzeit auf fünf verschiedene Gebäude verteilten Sammlungen vereinigen und
ihre Erweiterung ermöglichen soll, hat die Neueinrichtung des Erdgeschosses im
Anger-Museum nur als provisorisch zu gelten.
Wenn ihr trotzdem einige Beachtung geschenkt wurde, so liegt dies wohl
einerseits an der Schönheit der verwandten Räume des am Ende des 17. Jahr-
hunderts erbauten kurmainzischen Zeughauses, andererseits an der Eigenart des Be-
sitzes1), der schon jetzt erkennen läßt, daß in Erfurt ein Zentralmuseum für Thüringer
Kunst erstehen wird.
Die Räume sind zwar für die dauernde Aufbewahrung einer Sammlung un-
geeignet; denn wenn sie sich auch in dem Sinne einer vorübergehenden Ausstellung
gut einrichten ließen, so haben sie doch nicht die Wandelbarkeit und Erweiterungs-
möglichkeit eines auf Zuwachs berechneten Sammlungsgebäudes, so daß es schon
jetzt gelegentlich unmöglich war, wichtige Neuerwerbungen unterzubringen.
Dennoch hat Professor van de Velde, der mit der Ausarbeitung zu einem Vor-
entwurf für das geplante Museum betraut wurde, durchaus recht, wenn er vor-
schlug, gewisse Momente der Aufstellung auch für den Neubau zu übernehmen.
Er dachte dabei wohl vor allem an die kirchliche Stimmung der drei Räume
für die Holzplastik, die ohne jede Imitation gotischer Formen erreicht worden ist,
weil den Räumen in ihrer freien Einwölbung etwas von der Kühnheit des Mittelalters
eigen ist, ohne daß sie eine Kirche vorzutäuschen versuchen. Auch enthält
die architektonische Gestaltung durch Nischen, Abeckungen oder Vorsprünge eine
Fülle bestimmter Motive, deren Ausnutzung der vorgenommenen Aufstellung den
Charakter des sachlich Notwendigen verleiht.
Über den befremdenden Eindruck so vieler gotischer Skulpturensammlungen,
der durch die Vereinigung der im Gegensatz zur Antike in willkürlichem Maß-
stab gehaltenen Figuren entsteht, hilft die Verwendung von Nischen (Abb. 1) hin-
weg, in denen kleinere Stücke oder — wie in dem Altarraum (Abb. 2) — Reliquien-
büsten untergebracht sind. Derartige Nischen machen es auch möglich — was im
zweiten Raum gewählt wurde — wertvolle Stücke hinter Glas zu bewahren. Die
Blendung durch das gegenüberliegende Fenster ist dadurch behoben, daß das Licht
durch die Scheiben gotischer Glasmalereien gedämpft wurde.
x) Vgl. Overmann: Die älteren Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt.
Museumskunde. IX, 4.
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