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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 3.1900

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Stern, Ernst W. von: Grabstein eines Thrakers aus Olbia
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https://doi.org/10.11588/diglit.22623#0266

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hieß Ai^d^sAuxg. Ac^aj, ALgag, Ar/^ag, Diza, Disza,
Dizza ist ein sehr verbreiteter tbrakiscber Name;
vgl. Tomaschek, Die alten Thraker II 2 S. 32.
Auch aus dem epigraphischen Materiale Süd-Russlands
ist dieser Name bekannt; in einer Grabinschrift aus
Pantikapaion (Latyschev, Inscr. Ponti Eux. II 230)
ist die thrakische Heimat eines Ai^ag ausdrücklich
angegeben. Andererseits ist es bekannt, dass in den
meisten indoeuropäischen Sprachen die Personen-
namen aus zwei Stämmen gebildet zu werden pfleg-
ten, und dass in den thrakischen au zweiter Stelle
-l^eX|iij besonders häufig erscheint; vgl. Kretschmer,
Einleitung in die Geschichte der griech. Sprache 200.
Demgemäß hat Tomaschek, Arch.-epigr. Mitth. XV
107 n. 54 Ai^d^s ... zu Ai£d£s[X|j,ig] vervollständigt,
wobei er allerdings die Möglichkeit der Ergänzung
Ai^a^s[v7j5] offen lässt, und schreibt darüber Folgendes
(Die alten Thraker II 2 S. 33): „Bei allen diesen
Namensformen kann die Wz. dheig'h — „kneten",
„formen" (z. B. Töpfe, Kessel), „aufwerfen" (z. B.
eine Mauer, Veste, vgl. thrak. 8££a-xeTxo£) zugrunde
gelegt werden. Ai^üjv z. B. kann Töpfer bedeutet
haben. Groß wäre die Versuchung, die Gloße 8i£a-aY{;
heranzuziehen und Diza als „Ziege", Dizala als
„Zickel", Dizatralis als „Ziegenhalter" u. s. w. zu
fassen: wenn nur die Lesart Ai^d-^sXu-i;; sicher
stände". Dieser Wunsch Tomascheks ist jetzt in Er-
füllung gegangen. Dass auf dem späten Olbiaer Grab-
steine £y]Xu.i$ mit y] geschrieben ist, kommt natürlich
nicht in Betracht- Mit AuJa-^sAu-ic; darfauch der Name
Ai(^d-t;sX|iL5 eines Dynasten der Odryser auf einer
Münze aus dem ersten Jahrh. v. Chr. (Head, Historia
nummorum 243) zusammengestellt werden; vgl. auch
Dixatelmis.

Der Vater unseres At£d£sA[ü:; heißt SsüO-yjj.
Der Name ist aus der Geschichte allbekannt; es
werden mehrere Odryserkönige dieses Namens er-
wähnt. Der erste war der Sohn des Sparadokos
(Thukyd. III 97—101 ; IV 101); seine Münzen haben
die Legende 2sö9'<x Köp.u.a (Head, Hist. numm. 240).
Der zweite (405 — 383 v. Chr.) war der Sohn des
Mausodes und der Vater von Kotys I. Seuthes III.
(330—-313 v. Chr.) — eine Münze von ihm aus dem
Jahre 324 mit der Umschrift Ss'jO-oü bei Head
S. 240 — führte Krieg mit Lysimachos. Außerdem
begegnet der Name Seuthes in unserem epigraphischen
Material wohl über ein dutzendmal, zu römischer
Zeit auch in Militärdiplomen; vgl. Dipl. miiit. XIV a.
86; CIL III p. 857; p. 6122. Tomaschek leitet den
Namen von der Wurzel „sk'ev, sanskrit ksu, zend
Jakresliefte des üsterr. archäol. Institutes Bd. III Beiblatt.

su, slav. su, litth. sauju, sauti" her = „in Bewegung
setzen, schleudern, abschießen," so dass der Sinn
„Bogenschütz" darin liegen könnte. Rösler, Zeitschr.
für die öst. Gymn. 1873 S. 114 dagegen stellt
SsüS-yjg mit zendavest. „Zaotor = Opferer" zusammen.
Jedesfalls waren Seuthes und Dizazelmis thrakische,
in einem Fürstengeschlecht gebräuchliche Namen.

Wer aber sind die At^opot, als deren Führer
Dizazelmis genannt wird? CIL VI 2799 (III. Jahrh.
n. Chr.), dem Asklepios Zimidrenus von Philippopolis
Bürgern geweiht, hat Z. 36:

m. aur. M. F. Fl. Bithus Philippopuli
vico Diiesure.

Diie-sure ist somit ein „vicus" im Gebiet von
Philippopolis, ein „Stadttheil," deren es dort offen-
bar 17 gab. Ob diese „vici" dem Stadtbezirk
attribuiert, d. h. der Verwaltung und Gerichtsbarkeit
desselben unterworfen waren, wissen wir nicht. Ihre
für Philippopolis verhältnismäßig große Anzahl lässt
die Annahme wahrscheinlicher erscheinen, dass diese
„vici" Gemeinwesen mit eigenen Vorstehern und
einer gewissen Selbstverwaltung waren. Zu Philippo-
polis gehörte also eine Ortschaft, welche die Römer
Diie-sure nannten. Ist es allzu kühn vorauszusetzen,
dass dieses divie-cüre (Tomaschek, Die alten Thraker II
2 S. 4; 71 vergleicht sansk. Divya-cüra neben
Deva-cüra)in der griechischen Transscription die Form
Aitjöpy] erhielt, und dass die Einwohner dieser Ort-
schaft von den Olbiopoliten Ai^upoi genannt wurden?
Bei der „schwankenden griechischen Umschreibung"
thrakischer Namen (Kretschmer, Einleitung 222)
liegt diese Annahme keinesfalls außer dem Bereich
des Möglichen, und sie empfiehlt sich deshalb, weil
wir meines Wissens in Thrakien sonst keine Stamm-
oder Ortsbezeichnung haben, welche sich mit den
Dizyrern unserer Inschrift in Verbindung bringen ließe.

Ein vornehmer Thraker Dizazelmis, Seuthes
Sohn, Führer seiner Gaugenossen, der Dizyrer, der
Einwohner einerzuPhilippopolis gehörenden Ortschaft,
hat sich also einst in Olbia aufgehalten und dort
seinen Tod gefunden. Der Grabstein gehört nach
dem Schriftcharakter der späteren Kaiserzeit an.
Aus welchem Grunde der Hegemon der Dizyrer
damals seine Expedition nach dem Norden anse-
treten hat, und wie er hier aus dem Leben ge-
schieden ist, darüber lassen sich natürlich nur Ver-
mulhungen aussprechen. Man darf annehmen, dass
er als Freund der Olbiopoliten erschienen sei,
sonst hätten die Griechen ihm schwerlich einen

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