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I. S. Wolff.





Wcidclbcrg. Mittwoch, Den 14"°' Februar 1841.

Andeutungen
zur Beurthcrittng der politischen Zustände
Frankreichs.
(Fortsetzung.)
Genug, als die Verworfenheit des Ministeriums Po-
lignac eine zweite Revolution hervorrief, zeigte sich in der
Art, wie dieselbe vollführt und eine neue Ordnung der
Dinge an die Stelle der alten gesetzt ward, ein'bedeuten-
der Fortschritt in Bezug auf den Geist des französischen
Volks und seiner Führer. Sie hatten Mäßigung gelernt,
diese erste aller politischen Tugenden, welche schon an ab-
soluten Herrschern hochgeschätzt werden muß, wie viel mehr
an einer ganzen, durch Unterdrückung zur Empörung auf-
gereizten und über ihre Unterdrücker siegreichen Bevölkerung!
Die Ideen der Ordnung und der Gesetzlichkeit waren an
die Stelle der alten revolutionären Ideen von 1789 ge-
treten, welche nur Zerstörung alles Zwanges, auch desje-
nigen der Gesetze und der Gleichmachung aller Verhältnisse
gewollt hatten. Man wollte nicht mit der bestehenden Ord-
nung brechen, sondern man wollte nur durch Gcwaltthatcn
verletzte Ordnung wieder Herstellen und ähnliche Verletzungen
für die Zukunft unmöglich machen; deßhalb war man vor
allen Dingen darauf bedacht, dem Lande wieder ein gesetz-
liches Oberhaupt zu geben und zugleich durch eine Revision
der Charte die Garantieen der constitutionellen Freiheit zu
vermehren und zu befestigen.
So übernahm denn Ludwig Philipp die große und schwie-
rige Aufgabe, Frankreich den Frieden nach innen wie nach
außen zu erhalten.
Im Innern waren die Leidenschaften wieder aufgeregt;
die verschiedensten Parthcien bekämpften sich. Die Legiti-
misten intriguirten zu Gunsten einer Restauration der ver-
triebenen Dynastie; die Bonapartisten schöpften neue Hoff-
nungen, das Napoleonische Princip in der Person seines
Sohnes oder eines andern Napolconidcn wieder auf den
Thron Frankreichs zu heben; die Republikaner arbeiteten
am gänzlichen Umstürze des Königthums, um ihre altreve-
lutionären Ideen zu realisircn, und organisirten zu diesem
Zwecke Gesellschaften, welche den Klubbs der ersten Revo-
lution nicht unähnlich waren. Der Kern der Nation, aus
den industriellen Mittelklassen und der höheren Intelligenz

bestehend, war allerdings für eine gesetzliche Ordnung, für
eine vernünftige aber nicht zügellose Freiheit und folglich
für das Julikönigthum, welches beides rcpräsentirte; allein
über die nothwendigen Bedingungen jener Ordnung und
über das rechte Maaß dieser Freiheit entstand bald wieder
großer Widerstreit und Kampf. Die Einen, die sogenannte
Parthei des rechten CentrumS und der dynastischen Rechten,
faßten hauptsächlich die Nothwcndigkeit der Ordnung und der
Sicherung des Bestehenden ins Auge, bekämpften auf alle
Weise die vorhandenen Elemente der Bewegung, durch welche
sie jene Ordnung gefährdet glaubten: die Andern von der
Idee ausgehend, daß die Revolution von 1830 eine Er-
weiterung der Volksfrciheiten und nicht blos eine Wieder-
herstellung der schon gesetzlich bestehenden aber willkührlich
verletzten, zum Zweck gehabt habe, sahen in jenen Bestre-
bungen der Erhaltungsparthei Rückschritte zum Abfall vom
Princip der Revolution von 1830 und machten daher eine
beharrliche Opposition dagegen. Sic bilden das linke Cen-
trum und die dynastische Linke mit ihren verschiedenen Ab-
stufungen.
Dies ist im Allgemeinen der Stand der Hauptpartheien
in den französischen Kammern. Was nun aber das Urtheil
über die Stellung dieser verschiedenen Parthcien für den
Beobachter, und besonders für den ausländischen so außer-
ordentlich erschwert, das ist eben jener Nation.alcharakterzug
der Franzosen, die überall in ihrem politischen wie in ihrem
geselligen Leben zum Vorschein kommt, das Uebergcwicht der
Ideen und der Personen über die Sachen, die Zer-
stückelung der allgemeinen nationalen Interessen in per-
sönliche.
Es handelt sich bei den parlamentarischen Kämpfen in
Frankreich weit mehr um die Personen als um die Prin-
cipien; und deßhalb wird auch der Sieg großentheilS durch
die Bestechung der Presse und selbst der Deputieren herbei-
geführt. Die Parthciführer wollen herrschen und suchen
diese Absicht auf alle mögliche Weise zu erreichen; daher die
ewigen Machinationen der Opposition gegen die Regierung
und den Hof und dieser gegen jene; daher die Coalitivnen
von Männern, welche in ihren Grundsätzen sich völlig ent-
gegengesetzt sind, bloS zu dem Zwecke, um ein ihnen ver-
haßtes Ministerium zu stürzen und sich an dessen Stelle zu
setzen; daher der stete Wechsel der Ansichten und Principicn
bei den meisten der politischen Personen, welche ganz andre
 
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