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I. S. Wolff.


WciDclbcrg. Mittwoch, Zen 24"" Fedruar 184L.

Neber den Werth des constitutionellen
Lebens.
(Erster Artikel.)
Es haben sich in der letzten Zeit in den politischen
Zeitschriften und ganz besonders in einem sächsischen Blatte,
der Leipziger Allgemeinen Zeitung, mehrfache Stimmen
aus Preußen vernehmen lassen, welche sich in begei-
sterten Schilderungen der HuldigungSfeicr zu Berlin und
Königsberg ergingen und dabei fast regelmäßig auf das wohl-
bekannte, von dorther schon so ost und in so mancherlei
Variationen vorgepredigtc Thema zurückkamen, daß doch ein
guter Fürst ungleichmehr werth sey, als die beste Constitution.
Nun sind wir weit entfernt, den Preußen ihren En-
thusiasmus für ihren neuen Beherrscher verleiden oder die
Berechtigung ihrer vertrauensvollen Erwartungen von dem-
selben in Zweifel ziehen zu wollen und eben so wenig füh-
len wir uns berufen, mit jenen Schriftstellern darüber zu
rechten, ob für Preußen eine Constitution nothwendig und
Wünschenswerth sey oder ob es derselben bei den gegenwär-
tigen Verhältnissen und unter dem jetzigen Könige ohne
Nachtheil entbehren könne. Diese Frage gehört vor das
Forum der preußischen Presse, nicht vor das unsre und so
sehr wir wünschen, daß dieselbe dort mit mehr Umsicht und
nach verschiedenen Seiten hin besprochen werden möge,
als dies bisher geschehen ist, so halten wir uns doch nicht
für berechtigt, in eine solche innere Angelegenheit uns
einzumischen. Dagegen fühlen wir die dringende Verpflicht-
ung, jene Aeußcrung preußischer Schriftsteller, insoweit sie
das constitutionellc Leben angrcifen, mit Entschiedenheit
zuriickzuweiseu, und ihrem Enthusiasmus sür eine
ausgezeichnete Persönlichkeit das zwar minder eral-
tirte, doch um so kräftigere und klarere Bewußtseyn von
der Vortrefflichkeit unsres Staatsprincips entgegenzusetzen.
Zwar ist, wir dürfen es mit freudiger Gewißheit sagen,
bei uns dies Bewußtseyn eines durch verfassungsmäßige
Garantien gesicherten und gekräftigten Volkslebens, dieser
Geist konstitutioneller Freiheit und Selbstständigkeit so tief
in den Kern der Nation eingedrungcn, so sehr zum Ge-
meinbewußtseyn, zur nothwendigen Ldbensbedingung gewor-
den, daß nicht zu befürchten steht, man werde sich durch
jene Declamationen irren lassen. Allein wir dürfen auch
nicht vergessen, daß cö immer Mch Biele gibt, welche, sey

es aus Beschränktheit, sey es aus Selbstsucht, der neuen
Ordnung der Dinge, bald offen, bald geheim widerstreben,
und daß diese jede solche Veranlassung begierig ergreifen,
um ihrem Widerwillen gegen das constitutionellc Leben we-
nigstens einen Schein von Recht zu geben.
Somit halten wir uns für vollkommen gerechtfertigt,
wenn wir es versuchen, die Unhaltbarkeit jener Behaup-
tungen von preußischer Seite darzuthun und die Vorzüge
des constitutionellen Lebens ins Licht zu stellen.
Beginnen wir mit derjenigen unter jenen Behaup-
tungen, welche sich unmittelbar und ausschließlich an die
Persönlichkeit des Monarchen hält, und jeden Wunsch
nach andern Garantien sür ein sträfliches Mißtrauen erklärt.
Allerdings, wir wollen das gar nicht verhehlen, beruht
unser ganzes konstitutionelles Wesen auf einem gewissen
Mißtrauen, womit das Volk, eifersüchtig auf seine Rechte
und Freiheiten, die Staatsgewalt beobachtet und jeden ihrer
Schritte einer starke» Controle unterwirft. Aber in diesem
Mißtrauen, in dieser Controle liegt durchaus nichts Enteh-
rendes, weder für die Regierung noch für das Volk; viel-
mehr ist dies Verhältnis ein eben so nothwendigcs, als na-
türliches, und nur eine sehr beschränkte Ansicht vom Staate
kann daran Anstoß nehmen. Wollen wir nicht auf die ver-
altete Theorie von einer unmittelbaren höheren Begabung
der Regenten zurückkommen, was gegenwärtig doch nur
Wenigen im Ernste cinfallcn möchte; so werden wir uus
wohl cingestehen müssen, daß auch die Personen, welche an
der Spitze der öffentlichen Angelegenheiten stehen, Men-
schen wie Andre, und folglich auch den menschlichen
Schwächen unterworfen sind.' Nun ist es ferner eine all-
bekannte Erfahrung, daß, je größer das Maaß von Gewalt
und die Summe der Befugnisse ist, welche ein Einzelner
in sich vereint, desto leichter diese Gewalt gemißbrancht,
diese Befugnisse überschritten werden. Auch der edelste ge-
wissenhafteste Regent, der den redlichen Willen hat, nur
im Interesse seines Volkes und nach den Geboten der Ver-
nunft zu herrschen, ist dieser Gefahr nicht überhoben, er
steht nicht über den Gesetzen der Natur; er kann fehlen,
er kann sich von einer Leidenschaft hinreißen lassen, er kann
von seinen Umgebungen zu einer Handlung verleitet werden,
welche er später selbst bereut, welche er aber doch
nicht ungeschehen machen kann. Man denke uur an des
großen Friedrichs Ungerechtigkeit gegen sein Kammergericht,
 
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