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I. S. Wolff.



Weidelverg. Sonntag, den L4 ° Februar 184L.

Ä n - e u t u n Z e n
zur Beurtheilung der politischen Zustnnde
Frankreichs.
(Fortsetzung.)
So bildete sich im französischen Volke allmälig jener
Zustand aus, der unter Ludwig XIV. seinen Höhcnpunkt
erreichte, unter dessen Nachfolger seine unermeßlich verderb-
lichen Folgen zu entwickeln begann und endlich unter dem
unglücklichen Ludwig XVI. eine allgemeine Auflösung aller
politischen und socialen Verhältnisse in Frankreich herbeiführte.
Ein schwelgerischer, in jeder Art von Verschwendung
und Lurus das Mark des Landes verprassender Hof, ein
Fürst, dessen Hcrrschcrwille durch keine gesetzliche Schranken
gebunden, abwechselnd von MaitresscN, Günstlingen und
Priestern geleitet ward; ein Adel, welcher, statt eine unab-
hängige Körperschaft zu bilden, es vorzog, sein Vermögen im
Hofdienst zu verschwenden und um die Gunstbezcugungcn der
königlichen Huld zu buhlen; eine reiche, mächtige und mit
dem Köm'gthum zur Unterdrückung der Nation verbündete
Priesterhicrarchic; ein in Aberglauben, Rohheit und dumpfer
Knechtschaft versunkenes Volk, — das sind die einzelnen
Züge zu dem traurigen Bilde, welches damals Frankreich
bot. Jedes Gegengewicht gegen die immer fürchterlicher um
sich greifende Willkührhcrrschaft fehlte, jede Spur öffentli-
chen, selbstständigen Lebens in den Provinzen war ausgctilgt.
Frankreich war nur der Abglanz von Paris, Paris vom
Hose. Wie in einem fieberkranken Körper alle Säfte sich
conccntrircn, während die übrigen Theile erstarren, so ver-
schlang die Hauptstadt alle Regungen des geistigen Lcbcnö
in Frankreich; in Paris blühten Künste und Wissenschaften,
Philosophen und Dichter sonnten sich im Strahle der Ma-
jestät; Paris wurde der Sammelplatz aller großen Geister,
der Mittelpunkt der feinen Kultur, des Geschmacks, der
Moden, aber das übrige Frankreich war geistig todt, un-
terdrückt, verachtet. Schon Ludwig XIV. hatte ohne die
Generalstaatcn regiert; sein Nachfolger hob auch die noch
ziemlich selbstständigen Provinzialparlamcnte auf, um die
ganze Administration nur in seiner Person zu vereinigen.
So fand die Revolution Frankreich. Diese Revolution
selbst war das Werk zweier sehr verschiedenartiger Elemente.
Auf der einen Seite waren cs die Philosophen, wie inan

sie in Frankreich nannte, d. h. Männer, welche, entweder
durch theoretische Forschungen über Recht und Staat, oder
durch eigne Anschauung fremder Verfassungen, befondcrs
der englischen und amerikanischen, erhabene und begeisterte
Ideen von Freiheit und Völkerglück in sich ausgebildet hatten
und begierig waren, diese zu rcalisiren; auf der andern Seite
die arbeitenden Klassen, welche durch den unerträglichen
Druck der höchst ungerecht verthcilten Lasten und durch die
Tyrannei des Adels, der Geistlichkeit und des Hofs zur
Empörung gereizt waren. Jene waren die Führer, diese
die Werkzeuge der Revolution. Was anderwärts, z. B. in
England und Nordamerika, bei solchen Krisen beschwichtigend
eingewirkt, die Ausschweifungen des revolutionären Geistes
gehindert und denselben bald wieder in das ruhige Gleis
eines geordneten Staatslebens zurückgeführt hatte, — der
Einfluß der begüterten Mittelklassen oder eines unabhäng-
igen Bcsitzadels, — dies gerade fehlte damals in Frank-
reich so gut wie gänzlich, oder war wenigstens, durch die
verkehrte Politik der vorigen Regierungen, so sehr geschwächt,
daß cs dem blinden Enthusiasmus der Theoretiker und der
rohen Zerstörungswuth der Massen kein hinreichendes Ge-
gengewicht zu halten vermochte. Die Folge davon war,
daß die Revolution ganz in die Hände derer kam, welche,
weil sie keinen bestimmten Besitz und kein bestimmtes In-
teresse hatten, wofür sie hätten Freiheit und Berechtigung
suchen mögen, nur auf's Zerstören, aus die Aufhebung alles
Besitzes, auf die Gleichmachung aller Interessen und Rechte
ausgingen. So ward der französische Staat, nach Aus-
tilgung alles Bestehenden, ein leerer Raum, auf welchem
die Theoretiker ihre Systeme von Freiheit, Gleichheit und
Mcnschenwohl aufbauten und die rohen Massen mit ihren
ungezügelten Leidenschaften sich tummelten. Wie früher daS
Königthum tyrannisierte jetzt die Revolution von Paris auS
die Provinzen; die Pariser Klubbs, der Pariser Gemeinde-
rath, der Pariser Pöbel mid seine Anführer schrieben ganz
Frankreich Gesetze vor und unterdrückten mit grausamer
Strenge die Anstrengungen, welche einige Provinzen machten,
um ihre Selbstständigkeit gegen die Dictatur der revolutio-
nären Ccntralbehörde zu retten. Um die Herrschaft der neuen
Frciheitsidcen überall gleichmäßig zu befestigen und um alle
Kräfte zur Disposition zu haben, wenn es gelte, jenen
Ideen auch nach außen Geltung und Anerkennung zu ver-
schaffen, war man auf die möglichste Ccntralisation der gan-
 
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