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I. S. Wolff.



Wftvelderg. Sonntag, den 21'°' Fevruar 1841.

2t n d e u t ll ll g c n
zur Beurtheilung der politischen Zustände
Frankreichs.
(Schluß.)
Dies CentralisationSsystem bringt nun die vielfachsten
Nachtheile mit sich. Wir wollen hier nicht von den
Nachtheilen sprechen, welche es für die Verwaltung hat,
von dem häufigen Wechsel der Beamteten, welche als
Creaturen des Ministers mit diesem auf- und ab-
treten,, von der Unkenntniß, Nachlässigkeit und Partei-
lichkeit, womit die lokalen Angelegenheiten von der Regie-
rung und ihren Organen behandelt werden — sondern wir
wollen uns nur hauptsächlich an die schädlichen Folgen die-
ses Systems für die Entwicklung des politischen Lebens der
Nation halten. Die schädlichste davon ist, daß durch jenes
CentralisationSsystem die Departements in fortwährender
Abhängigkeit von der Hauptstadt erhalten werden, während
man vor allen Dingen darauf bedacht seyn sollte, einen
selbstständigen Geist, ein kräftiges öffentliches Leben in den
sämmtlichen einzelnen Thcilcn des Landes zu erzwecken. So
aber werden die Provinzen geradezu als unmündige von den
Pariser Partheiführern behandelt. Die Pariser Presse be-
herrscht allein die öffentliche Stimmung in Frankreich und
besondere Veranstaltungen sind getroffen, um die Departe-
mentalblättcr, welche dem größten Thcile nach ihre Einge-
bungen empfangen, mit solchen Nachrichten und mit leiten-
den Artikeln zn versorgen, welche den Absichten der herr-
schenden Parthei in Paris am vortheilhaftesten sind. Gilt
es neue Wahlen, so wird der ganze viclverzwcigte Mecha-
nismus der Veamtenhierarchie von Paris aus in Beweg-
ung gesetzt, um einen systematischen Einfluß auf die Wah-
len zu üben; da die Angelegenheiten der Departements und
der Gemeinden hauptsächlich von den Entschließungen der
Regierung abhängcn, so besitzt diese hieran ein wirksames
Mittel, sich der Stimmung der Wähler zu bemächtigen;
und da das höchste Ziel für jeden nur etwas ehrgeizigen
Mann in Frankreich eine einflußreiche Stellung in der all-
mächtigen Verwaltung ist, so haben die Minister vielfache
Gelegenheit, auch die einzelnen Deputaten für sich zu ge-
winnen. Rechnet man zu allen diesen Umständen noch das
hinzu, daß Paris ohnehin alle höhern Talente in sich ver-
einigt und so gewissermaßen das geistige Leben der ganzen

Nation in sich absorbirt, so wird es sehr erklärlich, daß in
der Kammer wie in der Presse die Pariser Nationalitäten
fast ausschließlich herrschen, daß die Kammer sich fast nur
mit allgemeinen, oft ziemlich unfruchtbaren Thcorieen und
Principfragen, oder gar Persönlichkeiten, beschäftigt, die
eigentlichen materiellen Interessen des Landes dagegen, die
Angelegenheiten der einzelnen Departements und der einzelnen
Gemeinden thcils gar nicht, theils höchst oberflächlich, ost
mit empörendem Leichtsinn und unglaublicher Unkenntniß deS
Faktischen abhandelt, und daß daher dergleichen Angelegen-
heiten fast gänzlich in der Hand der Regierung bleiben,
welchedicse ihr gegebeneBefugniß, wie wir cs eben angedeutet,
häufig genug zu Privat- und Partheizwecken mißbraucht.
Aufmerksame Leser der französischen Kanmerverhandlungen
werden sich erinnern, mit welcher Einseitigkeit der Unkennt-
niß dort die Eisenbahnfragc behandelt wurde, mit welchem
Leichtsinn die Kammer in der Zuckerangelegenheit und bei
anderen ähnlichen Veranlassungen verfuhr.
So lange aber Frankreich dies unnatürliche Centralisa-
tionssystem beibehält, so lange ist nicht blos seine innere
Politik immerwährend Schwankungen und Stürmen ausge-
setzt, sondern auch seine äußere Politik entbehrt der Con-
sequeuz, der wahren Stärke und des Vertrauens der an-
dern Staaten. Centralisation im Innern führt fast immer
das Bcdürfniß der Eroberung nach außen, die Nothwendig-
keit einer auf Ruhm und kriegerische Größe gestellten Po-
litik mit sich. Die Centralisation begünstigt die Herrschaft
der persönlichen Leidenschaften über die reellen Interessen der
Nation; indem sie die Macht in die Hände ehrgeiziger Par-
teiführer legt, giebt sie diesen zugleich, als das sicherste
Mittel, sich im Besitze jener Gewalt zu behaupten, eine
solche Politik an die Hand, welche geeignet erscheint, den
Leidenschaften der Massen zu schmeicheln, und durch den
Glanz von Ruhm und Macht die öffentliche Meinung zu
bestechen — gleichviel ob das wahre Interesse des Landes
dabei gewinnt oder verliert. So lange also die öffentliche
Meinung nur von Paris, und auch da wieder nur von
einigen Salons, KlubbS oder Journalbüreaur aus geleitet
oder richtiger gesagt, gemacht wird, so lange die eigentlichen
reellen Interessen des Landes, die Industrie, der Handel,
kein selbstkräftiges Leben und keine gewichtigere Stimme in
den öffentlichen Angelegenheiten besitzen, als gegenwärtig,
so lange es jedem Ehrgeizigen leicht wird, die ganze Nation
über ihre Stellung zu den fremden Mächten zu täuschen,
 
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