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I. S. Wolff.


Meidelderg. Sonntag» den S1"" Mär) 1841.

Ueber den Werth des constitutionellen
Lebens.
(Zweiter Artikel.)
(Schluß.)
Dieses letztere Bedenken trifft auch das Institut der Pro-
vinzialstände und überhaupt die Landstände mit bloß bera-
thender Stimme. Es ist ganz gut, daß die Stände die
Wünsche des Landes oder einer Provinz vor den Thron
bringen, und daß ste der Regierung ihre Ansichten über die
Zweckmäßigkeit und Nvthwendigkeit einer zu treffenden Maß-
regel oder eines zu erlassenden Gesetzes eröffnen; allein
so lange ste es bei diesen ehrerbietigsten Gesuchen und
unvorgreiflichen Vorschlägen bewenden lassen müssen,
so lange sie keine gesetzliche Befugniß haben, um denselben
einen stärkeren Nachdruck zu geben, so lange kann auch die-
ses Institut für eine wirkliche Repräsentation der Volks-
interessen und des Bolksgeisteö unmöglich gelten. Die Ge-
schichte der Provinziallandtage in Preußen, und ebenso die der
alten Landstände in Sachsen, bietet hinreichende Beispiele
von abschlägigen und sogar von ungnädigen Antworten
der Negierung auf ständische Anträge, welche bei einer re-
präsentativen Verfassung sich wohl eines günstigem Geschicks
zu erfreuen gehabt hätten! — Man hat großes Gewicht
darauf gelegt, daß die alte ständische Verfassung in dem
Boden der deutschen Geschichte wurzle, während das Re-
präsentativsystem eine fremdartige, von andern Völkern er-
borgte Einrichtung sey. Beide Folgerungen beweisen aber
zu Viel und eben deshalb Nichts. Wollten wir aber alles
vas bcibehalten, was in der deutschen Vorzeit geschichtlich
bestanden hat, so müßten wir auch so Manches wieder auf-
nehmen, womit selbst die Vertheidiger feuer Ansicht schwer-
lich zufrieden seyn möchten. Denn eben so gut, wie die
ständische Verfassung, ist z. B. auch die Abhängigkeit der
einzelnen deutschen Fürsten von 'einem gemeinsamen Ober-
haupte, dem Kaiser, „geschichtlich", und die Abschaffung der
Feudalstände und Einsetzung einer Volksrepräsentation im
modernen Sinne würde keine größere Verletzung des geschicht-
lichen und deutschen Princips seyn, als es die Souveräni-
tätöerklärung der einzelnen deutschen Fürsten war, wozu
doch gerade Preußen das Beispiel gab, indem es Titel
und Rang eines unabhängigen Königreichs annahm. Daß
sich übrigens recht wohl ein Mittelweg ausfindig machen läßt

zwischen dem starren Festhalten am Alten und feuer Nivel-
lirungssncht, wie sie z. B. im französischen Staate, aller-
dings auf erschreckende Weise, gehaust hat, davon geben
wohl alle unsre deutschen Verfassungen den Beweis, ganz
besonders aber die sächsische, welche das Bestehende, Histo-
rische überall sorgsam beachtet und so Viel davon als nur
irgend möglich in die neue Ordnung der Dinge mit hin-
über getragen hat, um es erst allmählig durch fortschreitende
Reformen derselben zu assimiliren. Aber ein erster, entschei-
dender Schritt zu diesen Reformen muß gethan werden,
eine Umgestaltung des leitenden Princips der Verfassung muß
Statt haben, wenn man überhaupt vorwärts kommen, wenn
man nicht absichtlich sich von der Bewegung des modernen
Staatslebens ausschließen will. Auch in dem Lande der ge-
schichtlichen Entwicklung, in dem vorzugsweise conservativen
Lande, in England, wo das konstitutionelle Leben sich nicht
künstlich aus den Systemen der Theoretiker, sondern auf
rein historischem Wege ausgebildet hat, auch dort mußte
man doch bei den eigentlichen Lebensfragen deö Verfassungs-
wesens sich von dem geschichtlichen Boden, von dem bisher
Bestandenen trennen, und neue Formen cinführen, wie sie
das Bedürfniß des fortgeschrittenen Staatslebens erheischte.
Solche Neuerungen waren z. B. die Reform des Wahlge-
setzes für daö Unterhaus, die Emancipation der Katholiken
u. s. w.; fa selbst die ganze Verfassung des Parlaments
und seine Stellung zur Krone, — die Grundpfeiler der
englischen Constitution, — konnte nur durch ein Abbrechcn
von dem früher auch in Englaed geltenden feudalständischeu
Systeme entstehen. — Waö aber den zweiten Einwurf be-
trifft, daß nnsre Verfassungen nur Nachbildungen ausländi-
scher seyerr, so geht derselbe ebenfalls zu weit, denn es ist
kein vernünftiger Grund vorhanden, Einrichtungen, die man
für gut und nothwendig erkannt hat, weil sie ein andres
Volk unter ähnlichen Verhältnissen schon früher bei sich ein-
geführt hat.
So viel über bestehende Einrichtungen zur Vergleichung
derselben mit dem constitutionellen. Unter den Vorschlägen,
welche in neuester Zeit, von eben feuer Seite her, gemacht
worden sind, um die Vortheile deö constitutionellen Lebens,
ohne dessen — angebliche — Nachtheile, zu erlangen, er-
wähnen wir vorzugsweise einen, der uns zugleich Gelegen-
heit gicbt, gewisse Ansichten zu berichtigen, welche auch
bei unö noch vielfach verbreitet sind. Dieser Vorschlag
 
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