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I. S. Wolff.


Meidelberg. Mittwoch, den IV ' Mär) 1841.

Ueber den Werth des constitutionellen
Lebens.
(Zweiter Artikel.)
Bezug nehmend auf den früheren Artikel über den
Werth des konstitutionellen Lebens, einen Stoff, den wir
weder erschöpfen können noch wollen, scheint unS noch zu
erübrigen, diejenigen Einrichtungen, welche von den Geg-
nern konstitutioneller Garantien als Ersatzmittel derselben
häufig angepriesen werden, in ihrer Unzulänglichkeit zu be-
leuchten.
Wir sprechen zuerst von solchen, welche schon gegen-
wärtig in mehreren nicht konstitutionellen Staaten bestehen,
sodann von solchen, welche neuerdings von eben jenen
Schriftstellern in Vorschlag gebracht worden find.
Unter jenen erster» find hauptsächlich zwei in's Auge
zu fassen, das Institut des Staatsraths und das der Pro-
vinzialstände. Beide Institute haben den Zweck, die Re-
gierung bei allen wichtigeren Acten der Verwaltung und
Gesetzgebung durch ihren Beirath zu unterstützen, sie mit
den Wünschen und Interessen deS Volks, mit den Bedürf-
nissen und Anforderungen des Zeitgeistes in stetem Rapport
zu erhalten, sie von übereilten und einseitigen Maßregeln
znrückzuhalten. Der Staatsrath (wie er z. B. in Preußen
besteht) ist eine Versammlung der intelligentesten und aus-
gezeichnetsten Männer aus allen Fächern des Wissens und
aus allen Gebieten des Lebens, höhere Beamtete aller
Branchen, Militärs, Gelehrte, Geistliche u. s. w. Er hat
die Aufgabe, die von den einzelnen Dcpartementsministern
entworfenen Gesetze zu begutachten und, mit seinen Be-
merkungen begleitet, an den König abzugcbcn, welcher dann
weitere Entschließung darüber saßt. Diese Einrichtung,
welche übrigens auch in den meisten konstitutionellen Staaten
besteht, ist unstreitig äußerst zweckmäßig. Die Einsichten,
Erfahrungen und Ideen, welche in diesen Verhandlungen
von einer Anzahl erleuchteter Männer mit Freimütigkeit
geltend gemacht und mit Scharfsinn verfochten werden,
können nicht anders als höchst wohlthatig auf den Gang
der Regierung einwirken, indem sie dienen, deren Ansichten
zu berichtigen und aufzuklären, und indem sie dieselbe
zwingen, ihre Entscheidungen zu motiviren und zu recht-
fertigen. Allein als Ersatz für eine repräsentative Ver-
sammlung betrachtet, ist das Institut des StaatSraths den-

noch unzulänglich, und zwar in doppelter Hinsicht. Zuerst
in Bezug aus seine Zusammensetzung. Die Mitglieder des
StaatSraths werden von der Regierung erwählt; sehr na-
türlich aber wählt die Regierung nur Solche, von denen
sie überzeugt ist, daß sie mit ihr im Principe übereinstim-
men. Wir brauchen deshalb noch nicht anzunehmen, daß
die Regierung die Absicht hege, an ihrem Staatsrathe ein
willenloses Werkzeug zu haben; aber offenbar hieße es ihr
allzuviel zumuthen, wenn wir voraussetzen wollten, sic
werde Männer der erklärten Opposition in den Staatörath
wählen. Also wird im Ganzen doch immer nur eine An
ficht, ein Princip im Staatsrathe vertreten seyn, wenn
auch, (was wir dadurch gar nicht in Abrede stellen wollen)
im Einzelnen sich die Meinungen der verschiedenen Mit-
glieder selbstständig und selbst von derjenigen der Regierung
abweichend äußern mögen. WaS also bei den repräsenta-
tiven Instituten der Hauptzweck ist, daß nämlich der Re-
gierung, welche die Geschäfte von oben herab ans dem
Centrum übersieht und leitet, ununterbrochen von unten
herauf, aus der Peripherie, neue Elemente der Bewegung,
neue Erfahrungen und Ansichten zugeführt werden, um sic
vor Erstarrung und Einseitigkeit zu bewahren, — das wird
durch den Staatsrath nur sehr unvollkommen erreicht, und
so zweckmäßig eine solche Einrichtung auch seyn mag, um
die Regierung bei der Vorbereitung legislativer Maßregeln
zu unterstützen, so wenig reicht sie doch hin, um eine Re-
präsentation des Volks überflüssig zu machen. Allenfalls
ließe sich noch ein solches, oder auch ein ähnliches Resultat
von dieser Einrichtung erwarten, wenn wenigstens die Sitz-
ungen des Staatsraths öffentlich wären, so daß die Mitglie-
der desselben alle ihre Aeußernngen und Abstimmungen der
Kritik und Controle der öffentlichen Meinung preisgegeben
wüßten. Dies würde nicht allein ihrer Ueberzeugungötreuc
und Conseguenz auf sehr wirksame Weise zu Hülfe kommen
(was nun einmal, so lange wir es mit Menschen zu thun
haben, niemals ganz entbehrlich wird), sondern auch ihrer
Opposition gegen die Regierung, so oft sich eine solche nöthig
machte, größeren Nachdruck geben. Denn bei der jetzigen
Einrichtung, — und das ist unser zweites Bedenken — hat
der Staatörath doch keine ganz selbstständige Stellung der
Negierung gegenüber, denn da er eine bloS berathende Stimme
hat, nicht, wie die konstitutionellen Kammern, eine wirklich
entscheidende, so ist es immer wieder in den guten Willen
 
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