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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (2. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

DOI Kapitel:
Wissenschaft und Kunst des Klosters
DOI Artikel:
Bergmann, A.: Die Dichtung der Reichenau im Mittelalter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61011#0111

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DIE DICHTUNG DER REICHENAU IM MITTELALTER

PROFESSOR DR. A. BE
Die lateinische Bildung des
Mittelalters hat auf deutschem Boden
eine beachtliche Fülle poetischer Früchte
gezeitigt, von denen mit die bedeutendsten
auf der Reichenau, im ,Hortus deliciarum ,
gewachsen sind. Der poetische Sinn, der
sich immer wieder, bald kräftiger, bald schwä-
cher, in dem vom hl. Pirmin gegründeten
Kloster geltendmacht und befruchtend hinüber
nach St. Gallen wirkt, dieser poetische Sinn
eines sittenreinen und frommen Mönchtums könnte
wohl, soweit er sich in formaler Verskunst und
in der Darbietung theologisch-ethischer Gedank-
lichkeit offenbart, aus der feingeistigen Gelehrten-
kultur heraus erklärt werden; allein dann handelte
es sich eigentlich nicht um Leistungen von Künst-
lern, um echte Dichtungen, sondern um hand-
werkliche Erzeugnisse, um schöngeistige Spiele-
reien, die nur für den Historiker wertvoll sein
können. Indes, so wissenschaftlich einseitig im
allgemeinen die Beschäftigung der Gelehrten des
19. und 20. Jahrhunderts mit den ,Poetae latini
medii aevi* eingestellt war, im wesentlichen sich
auf kritische Formanalyse beschränkend, so be-
gegnet man doch in kultur- und literaturgeschicht-
lichen Darstellungen Anerkennungen des wahr-
haft dichterischen Vermögens jener Alten. Es sei
besonders erinnert an die einschlägigen Werke von
Baehr, Ebert, M ü 11 e n h o f f - S c h e r e r ,
Dümmler, Traube, Manitius, vor allem
aber an die künstlerisch-wissenschaftlichen Ar-
beiten Paul von Winterfelds. Gerade des
letzteren Übertragungsversuche bringen einen fri-
schen Zug in das dichterische Blätterwerk mittel-
alterlich klösterlicher Kreszenz; aber er ist doch
wieder nicht belebend genug, als daß dadurch
unser Gemüt das Bedürfnis empfände, von den
poetischen Früchten mönchischen Wesens immer
wieder einmal kosten zu wollen, wie es sonst mit
den Dichtern geschieht, die der Welt- und Na-

RGMANN / KARLSRUHE
tionalliteratur angehören. Schreckt nicht schon eine
Überschrift wie diese ab: ,,Die Dichter schule
St. Gallens und der Reichenau4 ? Wir wissen
seit Herder und Goethe wieder, daß sich das
Dichten nicht erlernen läßt, und wollen von ge-
machten* Gedichten nichts oder nicht viel hören.
Wir wissen aber auch, daß der Geist echter Dich-
tung wie aller Geist unsterblich ist, so antiqua-
risch auch ihr Leib, dessen Form und Art vom
Zeitcharakter und sonstigen Sonderbedingungen
abhängt, werden mag. Wir wissen aber auch durch
Schiller, daß es neben der unmittelbaren, naiven
Poesie eine Dichtkunst der Reflexion, eine ge-
sellschaftlich kulturhaft bedingte gibt, die so gut
wie jene andere ihre unsterblichen Lebensatome
in sich hat und auf ihre Art den Zauberstab der
Begeisterung schwingt. Und wenn wir schließlich
jene andere mehr als die germanische und diese
mehr als die romanische ansprechen und uns fra-
gen, zu welcher von den beiden die lateinisch
dichtenden Mönche deutscher Zunge gehören,
dann sind wir durch diese Frage vor ein Problem
gestellt. Wie soll echte Dichtkunst möglich sein,
wenn das Herz deutsch schlägt und die Zunge
den Klang in römische Laute übersetzt, und zwar
derart, daß fast nur Lautformen in der Art
irgendwie schon einmal festgeprägter Wendungen
und Wortbilder gebraucht werden? Unstreitig
wirkt dieser Gedanke befremdend, und man sucht
aus dein logischen Dilemma dadurch hinaus-
zukommen, daß man entweder anhimmt, der
Dichter sei nur ein mehr oder weniger ge-
schickter Latinist und nachahmender Versmacher,
oder er sei durch Erziehung und Schulung zum
Lateinischen hin von frühester Jugend an derart
»romanisierf worden, daß die lateinische Aus-
drucksweise für ihn das unentbehrliche Mittel zur
Äußerung seiner Gedanken und Gefühle wurde.
Wer sich mit den lateinischen Dichtern des deut-
schen Mittelalters daraufhin befaßt, wird die eine
 
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