Blick vom Konstanzer Münsterturm auf Reichenau und Hegau
Titelbild (Stahlstich) zu Gustav Schwab:
.Bodensee* (1826)
DIE REICHENAU IN DER NEUEREN LITERATUR
PROFESSOR DR. KARL PREISENDANZ/KARLSRUHE
DEM RUHME DER REICHENAU
folgte ihre Vergessenheit. Und sie währte
lange Jahrhunderte. Weit länger als die Blüte
und Nachblüte ihrer klassischen Zeit. Es löst
gewisse Befriedigung aus zu wissen: die Schöp-
fer der geistigen und künstlerischen Größe des
Klosters haben die Früchte ihrer Arbeit erlebt
und eingeheimst; und ging auch den frommen
Seelen die Gloria excelsior über alle irdische
Ehre, schön war es doch, einem ersten Kloster
von Weltruf zu dienen. Aber wie schmerzlich
für die wenigen ernsten Geister des Niedergangs,
den Verfall der gesamten Macht mit unhemm-
barer Notwendigkeit hereinbrechen zu sehen. Die
»Klage der Au* aus den Tagen Abt Konrads von
Zimmern ist ein einziger, gedehnter Jammer-
schrei voll ,waynen und sünnfzten auf den Zu-
sammenbruch. Was dann noch kam, der Inhalt
des dreizehnten bis neunzehnten Jahrhunderts, ist
Zehren vom alten Ruhm. Soweit die Kloster-
insassen noch von ihm wußten. Meist war s nur
mehr dunkle Ahnung. Nicht nur ,unainigkeit der
bähst und liaiser, och der fürsten misshelligkeit‘
hat — so entschuldigt der ehrenwerte Gall
Oheim die Reichenauer — ,dem gotzhus den
größten Val geporn . Der fand seinen Keim
schon in der Unwissenheit und Unbildung der
späteren Mönche. Aber immer wieder erstand
einer, wenigstens das überkommene Geistesgut zu
wahren, wenn nicht aus Verständnis, so doch aus
Scheu und Ehrfurcht vor dem Schaffen der
Alten. War schließlich auch alles zertrümmert,
was zu den Grundbedingungen eines leidlichen
äußeren Lebens zählt, die Bibliothek blieb ge-