Zur Geschichte der Tafelmalerei in Böhmen.
Von Dr. Joseph Neuwirth.
In der Beurtheilung der Kunstdenkmale, welche in Böhmen sich vor-
finden, ist mit Zuerkennung des Epitheton ornans »vorkarolinisch« eine
nationale Bedeutung verbunden, mit welcher einige, sonst äusserst kenntniss-
reiche und thätige Forscher durch Einreihung einer ziemlichen Anzahl kunst-
historisch recht interessanter Werke in diese Kategorie den Beweis zu er-
bringen suchten, dass Böhmen vor der Zeit Karl’s IV. ein von dem
deutschen unabhängiges und selbstständiges, einheimisches und
nationales Kunstleben besessen habe, als dessen Resultat der Auf-
schwung der bildenden Kunst unter genanntem Herrscher betrachtet werden
müsse. Ist auch manche, nationaler Eigenliebe allein entsprungene Hypothese
und begangene Fälschung bereits richtig gestellt und aufgedeckt worden1),
so gibt es doch noch einige höchst interessante Denkmale in Böhmen, die
aus den bisher als »vorkarolinisch« bezeichneten theils für die deutsche Kunst,
deren Stempel sie tragen, zu reclamiren, theils genauer zu bestimmen sind.
Als das ausgezeichneteste unter den Tafelbildern, welche als Erzeugnisse
altböhmischer Kunst ausgegeben werden2), gilt das in der spitzwinklig ab-
schliessenden rechten Seitencapelle der Gistercienserstiftskirche zu Hohen-
furth aufgestellte Marienbild, dessen Meister man auch ein demselben
auffallend gleiches in der Minoritenkirche zu Krumau beilegen
möchte3) welche beiden Werke bereits theilweise für die deutsche Malerei zu-
rückgefordert sind4). Eine eingehende Würdigung derselben thut um so mehr
J) Woltmann, Deutsche Kunst in Prag, Leipzig 1877. — Woltmann, Zur Ge-
schichte der böhmischen Miniaturmalerei, Repertorium für Kunstwissenschaft, II.
1. Heft. — Woltmann-Pangerl, Das Buch der Malerzeche in Prag, 13. Band der
Quellenschriften für Kunstgeschichte et,c. von R. Eitelberger v. Edelberg, Wien, 1878.
2) Palacky, Die älteste Epoche der schönen Kunst in Böhmen, Abhandlungen
der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, Prag 1837, p. 19. — Wocel,
Grundzüge der böhmischen Alterthumskunde, Prag 1845, p. 155.
3) Mikowec, Alterthümer und Denkwürdigkeiten Böhmens, 2 Bände, Prag, I.
p. 66. — Mikowec, Malerisch-historische Skizzen aus Böhmen, Wien 1864, pp. 220, 329.
4) Woltmann-Pangerl, Malerzeche, pp. 45, 46. — Woltmann, Geschichte der
Malerei, Leipzig 1879, I. p. 395. — Grueber, Die Kunst des Mittelalters in Böhmen,
4 Theile, Wien 1871—79, III. p. 123, legt ersteres dem deutschen Meister Nicolaus
Wurmser von Strassburg, p. 114 letzteres dem Italiener Thomas von Mutina bei.
Von Dr. Joseph Neuwirth.
In der Beurtheilung der Kunstdenkmale, welche in Böhmen sich vor-
finden, ist mit Zuerkennung des Epitheton ornans »vorkarolinisch« eine
nationale Bedeutung verbunden, mit welcher einige, sonst äusserst kenntniss-
reiche und thätige Forscher durch Einreihung einer ziemlichen Anzahl kunst-
historisch recht interessanter Werke in diese Kategorie den Beweis zu er-
bringen suchten, dass Böhmen vor der Zeit Karl’s IV. ein von dem
deutschen unabhängiges und selbstständiges, einheimisches und
nationales Kunstleben besessen habe, als dessen Resultat der Auf-
schwung der bildenden Kunst unter genanntem Herrscher betrachtet werden
müsse. Ist auch manche, nationaler Eigenliebe allein entsprungene Hypothese
und begangene Fälschung bereits richtig gestellt und aufgedeckt worden1),
so gibt es doch noch einige höchst interessante Denkmale in Böhmen, die
aus den bisher als »vorkarolinisch« bezeichneten theils für die deutsche Kunst,
deren Stempel sie tragen, zu reclamiren, theils genauer zu bestimmen sind.
Als das ausgezeichneteste unter den Tafelbildern, welche als Erzeugnisse
altböhmischer Kunst ausgegeben werden2), gilt das in der spitzwinklig ab-
schliessenden rechten Seitencapelle der Gistercienserstiftskirche zu Hohen-
furth aufgestellte Marienbild, dessen Meister man auch ein demselben
auffallend gleiches in der Minoritenkirche zu Krumau beilegen
möchte3) welche beiden Werke bereits theilweise für die deutsche Malerei zu-
rückgefordert sind4). Eine eingehende Würdigung derselben thut um so mehr
J) Woltmann, Deutsche Kunst in Prag, Leipzig 1877. — Woltmann, Zur Ge-
schichte der böhmischen Miniaturmalerei, Repertorium für Kunstwissenschaft, II.
1. Heft. — Woltmann-Pangerl, Das Buch der Malerzeche in Prag, 13. Band der
Quellenschriften für Kunstgeschichte et,c. von R. Eitelberger v. Edelberg, Wien, 1878.
2) Palacky, Die älteste Epoche der schönen Kunst in Böhmen, Abhandlungen
der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, Prag 1837, p. 19. — Wocel,
Grundzüge der böhmischen Alterthumskunde, Prag 1845, p. 155.
3) Mikowec, Alterthümer und Denkwürdigkeiten Böhmens, 2 Bände, Prag, I.
p. 66. — Mikowec, Malerisch-historische Skizzen aus Böhmen, Wien 1864, pp. 220, 329.
4) Woltmann-Pangerl, Malerzeche, pp. 45, 46. — Woltmann, Geschichte der
Malerei, Leipzig 1879, I. p. 395. — Grueber, Die Kunst des Mittelalters in Böhmen,
4 Theile, Wien 1871—79, III. p. 123, legt ersteres dem deutschen Meister Nicolaus
Wurmser von Strassburg, p. 114 letzteres dem Italiener Thomas von Mutina bei.