Bibliographische Notizen.
265
vom 12. Juli 1471 an Lorenzo de’ Medici, aus welchem sich die Autorschaft
Donatello’s bei dem genannten Werke nahezu unzweifelhaft ergibt, bereits von
ihm in seinem zu Wien 1875 erschienenen Buche: »Donatello, seine Zeit und
seine Schule«, S. 309 abgedruckt ist, mithin drei Jahre, bevor Gaetano Milanesi
in seiner Vasari-Ausgabe auf denselben verwies, wodurch der Fürst Filangieri
auf das Schreiben aufmerksam gemacht wurde. Gedachte Veröffentlichung
scheint vielfach unbeachtet geblieben zu sein, wie denn auch die Erörterungen,
durch welche der neapolitanische Herausgeber die geringe Begründung der
historischen Zeugnisse nachweist, worauf die Ansicht von der antiken Prove-
nienz des Pferdekopfs sich stützte, von derselben ganz unabhängig sind.
Wenn somit Herr Professor Semper unbestreitbar die Ehre der Priorität
bei der Publication gedachten Schreibens gehört, so bleiben die übrigen Re-
sultate der in Rede stehenden kleinen Arbeit dadurch unberührt. Ich glaube,
dass gegenwärtig die Ansicht feststeht, dass wir hier kein antikes Werk vor
uns haben, sondern eine geniale Schöpfung des grössten florentinischen Bild-
hauers des 15. Jahrhunderts, nicht des Verrocchio oder eines andern Zeitgenossen.
Aachen, 10. Febr. 1885. A. v. Reumont.
Bibliographische Notizen.
In der am 14. Nov. 1884 zur Feier des Todestages Leibnizens gehaltenen
Sitzung der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften las A. Springer über
den »Physiologus des Lionardo da Vinci«. Als Physiologus bezeichnet
nämlich Springer die von Richter im II. Bande der Schriften Lionardo’s unter
dem Titel »Studies of the life and habits of animals« publicirte zoologische
Abhandlung. Thatsächlich macht es die Beweisführung Springer’s evident,
dass neben Plinius und Brunetto Latini die verbreitetste Redaction des Phy-
siologus (Codex A bei Cahier und Martin Melanges II.) die Hauptquelle Lio-
nardo’s war. Die vorgeschrittene Naturanschauung Lionardo’s auch auf diesem
Gebiete zu retten, möchte man gerne den ganzen Tractat als eine abgerundete
Excerpt- Sammlung, etwa angelegt zu ikonologischen Zwecken, betrachten,
doch dem stellt sich der von Springer geführte Nachweis entgegen, dass diese
Excerpte durch die ganz besondere Anordnung und Gruppirung, die von der
in Bestiarien und Thierbüchern üblichen entschieden abweicht, den Charakter
einer geschlossenen Abhandlung erhalte. Ebenso sind eine Partie moralischer
Deutungen persönliches Eigenthum Lionardo’s. Stand darnach Lionardo in
diesem Punkte ganz auf dem Boden der Anschauung der mittelalterlichen
Physiologen? Springer meint: Wir müssen glauben, dass er (Lionardo) in allem
Ernste an die Wahrheit der Thierbeschreibungen glaubte. Man wird diese
Ansicht theilen müssen, so lange nicht ein glücklicher Fund einen ganz beson-
deren Zweck oder Veranlassung dieser Schrift nachweist. Die Schlussreflexion
Springer’s ist nicht anzufechten. Von polaren Gegensätzen zwischen Mittelalter
265
vom 12. Juli 1471 an Lorenzo de’ Medici, aus welchem sich die Autorschaft
Donatello’s bei dem genannten Werke nahezu unzweifelhaft ergibt, bereits von
ihm in seinem zu Wien 1875 erschienenen Buche: »Donatello, seine Zeit und
seine Schule«, S. 309 abgedruckt ist, mithin drei Jahre, bevor Gaetano Milanesi
in seiner Vasari-Ausgabe auf denselben verwies, wodurch der Fürst Filangieri
auf das Schreiben aufmerksam gemacht wurde. Gedachte Veröffentlichung
scheint vielfach unbeachtet geblieben zu sein, wie denn auch die Erörterungen,
durch welche der neapolitanische Herausgeber die geringe Begründung der
historischen Zeugnisse nachweist, worauf die Ansicht von der antiken Prove-
nienz des Pferdekopfs sich stützte, von derselben ganz unabhängig sind.
Wenn somit Herr Professor Semper unbestreitbar die Ehre der Priorität
bei der Publication gedachten Schreibens gehört, so bleiben die übrigen Re-
sultate der in Rede stehenden kleinen Arbeit dadurch unberührt. Ich glaube,
dass gegenwärtig die Ansicht feststeht, dass wir hier kein antikes Werk vor
uns haben, sondern eine geniale Schöpfung des grössten florentinischen Bild-
hauers des 15. Jahrhunderts, nicht des Verrocchio oder eines andern Zeitgenossen.
Aachen, 10. Febr. 1885. A. v. Reumont.
Bibliographische Notizen.
In der am 14. Nov. 1884 zur Feier des Todestages Leibnizens gehaltenen
Sitzung der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften las A. Springer über
den »Physiologus des Lionardo da Vinci«. Als Physiologus bezeichnet
nämlich Springer die von Richter im II. Bande der Schriften Lionardo’s unter
dem Titel »Studies of the life and habits of animals« publicirte zoologische
Abhandlung. Thatsächlich macht es die Beweisführung Springer’s evident,
dass neben Plinius und Brunetto Latini die verbreitetste Redaction des Phy-
siologus (Codex A bei Cahier und Martin Melanges II.) die Hauptquelle Lio-
nardo’s war. Die vorgeschrittene Naturanschauung Lionardo’s auch auf diesem
Gebiete zu retten, möchte man gerne den ganzen Tractat als eine abgerundete
Excerpt- Sammlung, etwa angelegt zu ikonologischen Zwecken, betrachten,
doch dem stellt sich der von Springer geführte Nachweis entgegen, dass diese
Excerpte durch die ganz besondere Anordnung und Gruppirung, die von der
in Bestiarien und Thierbüchern üblichen entschieden abweicht, den Charakter
einer geschlossenen Abhandlung erhalte. Ebenso sind eine Partie moralischer
Deutungen persönliches Eigenthum Lionardo’s. Stand darnach Lionardo in
diesem Punkte ganz auf dem Boden der Anschauung der mittelalterlichen
Physiologen? Springer meint: Wir müssen glauben, dass er (Lionardo) in allem
Ernste an die Wahrheit der Thierbeschreibungen glaubte. Man wird diese
Ansicht theilen müssen, so lange nicht ein glücklicher Fund einen ganz beson-
deren Zweck oder Veranlassung dieser Schrift nachweist. Die Schlussreflexion
Springer’s ist nicht anzufechten. Von polaren Gegensätzen zwischen Mittelalter